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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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schienen alle ihre Gedanken umzustülpen. Diese Musik, die zuerst begann, als wäre ein Schiff untergegangen, sich dann in etwas veränderte wie: Holen wir die Überlebenden an Land und sich schließlich in etwas verwandelte, das wie ein prasselndes Feuer dahinstob ... einem Tanz ins Leben gleich, des Überlebens. Nilah wirbelte umher und fand nichts daran, mit einem zerzausten Bauern in Gummistiefeln zu tanzen, der sie anlachte und herumschwang wie ein dünnes Bund Reisig. Um sie herum wurde gerufen, mit den Stiefeln gestampft, getrunken und gefeiert. Sie liebte es, dachte sie, ja, sie liebte es mehr als jede Feier, die sie bisher erlebt hatte. Und es roch so wunderbar in diesem Haus, dass sie nie wieder fort wollte.
    In all dem Gewirbel sah sie auch ihren Vater, der ziemlich losgelöst die Beine von sich warf, wie ein russischer Kosakentänzer, und Morrin, die ihn stützend auffing, als er beinahe mit dem Hintern voran in den Kamin gefallen wäre. Sie lachten als gäbe es nur diesen Augenblick. Nilah war das egal, sie lachte mit und empfand sogar Freude für die beiden.
    Irgendwann kam sie mit hochrotem Kopf und eindeutig beschwipst von oben aus dem Bad. Die Finger schnippend tanzte sie die Treppe hinunter und hielt plötzlich mitten in der Bewegung inne. Dort stand wieder der Junge und starrte sie an.
    Nilah lächelte zaghaft. Der Junge zeigte keine Regung. Dann drehte er sich um und ging.
    «Warte», rief sie, die restlichen Stufen hinunterlaufend. Sie versuchte den Jungen wiederzufinden, aber er war wie vom Erdboden verschluckt.
    Der Füller kratzte unaufhörlich über die Seiten, denn jeder wollte eine Widmung hinterlassen. Ein paar Worte, die nie gesagt worden waren, oder eine himmlische Frage an Edda für die Bekämpfung von Läusen an den Tomatenpflanzen. Jeder, der sich dort verewigte, wollte nur eine kurze Nachricht hinterlassen, wie es ihm oder ihr ging. Um etwas Beistand bitten, da Edda ja jetzt die eindeutig besseren Verbindungen hatte. So stand fast immer irgendwer an dem improvisierten Pult, den die Küchenherdplatte bildete, wo Nilah das Kondolenzbuch ausgelegt hatte. Dicker Qualm hing im Haus, als hätte man den Nebel auch zum Feiern eingeladen. Aber die Musik war verstummt. Die Musiker hatten ihre Instrumente beiseite gelegt und unterhielten sich müde und trunken. Der Mann, mit dem Nilah getanzt hatte, war verschwunden. Jemand stand draußen im Garten und blickte Pfeife rauchend gen Himmel. Es war als hätte jemand die Energie abgezogen, als sei jedes Lied verbrannt und alle Überlebenden machten sich nun auf, den Heimweg anzutreten. Morrin öffnete die Fenster, damit die Feier aus dem Haus ziehen konnte. Die einströmende, nasse Kälte machte den Verbliebenen nochmals klar, dass es nun wirklich Zeit war zu gehen. Nach und nach leerte sich das Haus. Ein wenig Einsamkeit blieb nach so viel Lachen, Tanzen und Trinken zurück. Irgendwann saßen Nilah, ihr Vater und Morrin alleine da und blickten müde vor sich hin. Morrin hatte immer noch verschwitzte Strähnen im Gesicht und strich sie geistesabwesend beiseite. Ihr Vater schien schon wieder über Aspirin nachzudenken. Nilah nahm sich das Kondolenzbuch, schlug es auf, las und erschrak.
    Bist Du es?
    Habe ich Dich gefunden?
    Ja, ich spüre, Du bist es.
    Wirst Du es auch sein?
    Nilah starrte auf das Blatt. Das waren so perfekt geschwungene Buchstaben, wie Nilah sie noch niemals gesehen hatte. Das waren die Zeilen eines Künstlers. Sie kniff die Augen zusammen, konnte den Blick gar nicht abwenden.
    «Nili?», zischte ihr Vater, stand auf und kam zu ihr.
    Sie starrte weiter auf das Blatt.
    «Nili? Was ist denn?» Er sah auf das Buch zu ihren Knien.
    «Da hat sich irgendwer einen Scherz erlaubt!» Sie reichte ihm das Buch und sah ihn flehend an.
    Ihr Vater blickte stumm auf das Kondolenzbuch nieder, nahm es ihr ab und blätterte darin.
    «Na ja», sagte er dann beschwichtigend. «Viele Leute lassen die vorderste Seite leer. Sie wollen eben nicht die Ersten sein.»
    Nilah aber dachte, dass dies nicht nur ein falscher Moment, sondern auch ein komplett falsches Leben war. Er sah die Zeilen nicht! Verwirrt blickte sie auf und bemerkte, dass Morrin sie durchdringend anschaute.
     
     

Total neben der Spur
    Durcheinander, ja wütend setzte sie sich auf das Bett und schaute gegen die Wand, als es klopfte.
    «Was denn?» fauchte sie.
    «Darf ich 'reinkommen?» Es war Morrins Stimme.
    Einen Moment lang starrte Nilah zur Tür und versuchte sich über etwas klar zu

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