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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Habicht. Und plötzlich fiel es ihm ein.
     

Stille, verzweifelte Stunden
    Daan van Arten hatte seine Tochter noch nie so erlebt. Die beiden hatten immer über alles reden können, etwas, dass ihm jedes Mal wieder eine kaum fassbare Befriedigung bescherte. Nicht nur, dass er sich darin bestätigt sah, wenigstens diese Sache richtig hingekriegt zu haben, nein, er fühlte sich auch allen anderen Vätern, die er kennen gelernt hatte, auf unaufdringliche Weise überlegen.
    Wenn er TV-Berichte über essgestörte Mädchen verfolgte oder in einer Zeitschrift Artikel von « unerziehbaren » Teenagern überflog, dann wäre er am liebsten jedes Mal aufgesprungen und hätte der ganzen Welt kundgetan, dass er und seine Tochter anders waren. Wie ein cooler Superdaddy ging er zu den Elternabenden, und egal was die Lehrer auch erzählten, er saß da, die Beine locker übereinander geschlagen und hörte sich die Beurteilungen an, wie ein Außenminister, dem jedwede Kritik an seinem Land zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinausging. Dabei konnte er kaum ein schelmisches Grinsen unterdrücken.
    Doch nun, zum ersten Mal, hatte er das Gefühl, dass Nili etwas für sich behielt und zwar nicht irgendeine Nebensächlichkeit, sondern etwas sehr Wichtiges. Das zerriss ihm fast das Herz. Aber er hielt sich zurück, wenn auch mühsam, und bohrte nicht nach. Trotzdem war dieses in sich gekehrte Mädchen neben ihm auf dem Flugzeugsitz so weit entfernt, dass es weh tat. Zum ersten Mal wusste er nicht, was er sagen sollte. Also sagte er nichts.
    Der Aufbruch war so plötzlich gekommen, so unerwartet hatte seine Tochter ihn zur Abreise geradezu genötigt, dass er nur schnell seine Sachen in den Seesack gestopft hatte. Morrin hatte daneben gestanden und geschwiegen. Es war ein so schöner Tag gewesen. Sie waren nach Cliffden gefahren und hatten unterwegs bereits viel gelacht und erzählt.
    Der Anwalt, ein rotnasiger, gut gekleideter, untersetzter Mann, mit einer typisch irischen Schirmmütze auf dem Kopf, sah so aus, als wäre er gerade von einer Golfpartie gekommen. Er hatte sie fröhlich hereingebeten, Tee und Gebäck gereicht und ihnen dann, nachdem er alle nötigen Schriftstücke und Pässe geprüft hatte, offenbart, dass Nilah van Arten jetzt steinreich sei. Ihr gehöre mit sofortiger Wirkung das Haus sowie das Land darum herum.
    «Sie meinen wohl den Garten? Na, soviel wird der doch nicht wert sein?» hatte Daan gescherzt.
    Die Antwort ließ ihn fast vom Stuhl rutschen. Nicht nur der Garten gehörte den O´Connellys und somit nun Nilah, sondern das ganze Gebiet dahinter auch, bis zum Meer, einschließlich eines nicht unerheblichen und wie man sagen musste, wunderschönen Strandabschnittes. Was mit Nilahs Mutter sei, fragte Daan weiter, der es immer noch nicht fassen konnte. Sie sei schließlich die leibliche Tochter von Edda gewesen, auch wenn sie seit Jahren in einer Klinik sei, habe sie doch sicher Ansprüche.
    Der Anwalt schien zu wissen, worum es ging. Nein, betonte er. Das Testament sei sehr klar und eindeutig formuliert. Nur Nilah sei als Erbe zugelassen. Sollte ihr etwas passieren, würde das Land in ein Naturschutzgebiet verwandelt werden. Nicht eine Säge, nicht ein Spaten sollten sich je daran vergreifen! Er sagte dies, als handele es sich dabei um einen möglichen Anschlag auf das Land.
    Noch immer völlig verdattert waren Daan und Morrin danach etwas Essen gegangen. Und da seine Tochter außer Schimpfreichweite war, genehmigte er sich in einem Pub erst einen Doppelten und rauchte draußen auf der Straße gleich zwei Zigaretten hintereinander. Was würde Nili nur zu all dem sagen, fragte er sich?
    Später zeigte Morrin ihm einige der schönsten Flecken von Connemara, während Daan filmte und knipste, bis die Objektive glühten. Sie hielten nahe eines Flusses. Morrin holte mit einem verschmitzten Lächeln einen Picknickkorb aus dem Kofferraum. Der Fluss hatte den Namen Ballynahinch und schlängelte sich durch die schroffen Hügel - wie eine uralte Ader - Richtung Meer. Im Hintergrund ragten zwei Berge auf, der eine kegelförmig, der andere flach und buckelig. Vor ihren Hängen stand ein Wald aus dunkelgrünen Fichten und Tannen. Man konnte sogar zwischen ihnen noch die Spur des einstigen Gletschers erkennen, die wie eine geschnitzte Kerbe darin verlief. Dort waren die Felsen vom Eis glatt geschmirgelt worden. Es sah aus wie eine schneelose Skipiste.
    Sie setzten sich auf eine dicke Wolldecke und genossen selbstgebackenes

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