Die Bestimmung
Fan-Kneipen oder so. Ich hab' neulich wieder Deine Dokumentation über die Geschichte der Hafenarbeiter gesehen. Ist ja schon ´n büschn her, war aber immer noch toll. Na, jedenfalls dachte ich, Du hast was vor», erklärte er mit wissendem Blick.
Daan zahlte und ließ einen verwirrten Piet zurück.
Er schlenderte zurück zum Haus. Er wollte mit Nili reden. So ging das einfach nicht. Er spürte ganz deutlich, dass ihm das auf den Magen schlug, wenn sie nicht mehr miteinander reden konnten.
Als er an dem Fleet vorbeikam, in den dahinter liegenden dunklen Wald blickte und an seine Tochter dachte, da überkam ihn ein so schmerzhaftes Gefühl, dass er sich auf eine der Bänke setzte und frierend ins Wasser stierte, die Kapuze über den Kopf zog und doch eine rauchte. Eine Mischung aus Schnee und Regen fiel aus den Wolken, als sein Telefon in der Tasche vibrierte.
«Ja?»
«Hallo!» Sein Herz schlug schneller.
«Wo bist Du gerade?»
«Ich sitze im Schneeregen und denke nach.»
«Worüber?»
«Keine Ahnung», wich er aus, und das entsprach einer eher gemischten Wahrheit.
«Bist Du betrunken?»
«Nein, aber ich wäre es gern.»
«Ja? Warum?»
Daan schnaufte und sah zum Haus, das keine hundert Meter weit weg war. Oranges Licht quoll aus dem halbrunden Dachbodenfenster.
«Weiß auch nicht.»
«Ich vermisse Dich!»
Was sollte er nur darauf erwidern? Gelähmtes Schweigen folgte.
«Ich muss Dir etwas erzählen, Daan», drängte Morrin.
Und dann, wie einem Seil in einer dunklen Höhle folgend, hörte er nur noch zu. Diese sanfte Stimme aus einem anderen Land, in dem es gerade jetzt so anders aussah, so anders roch – oh, Himmel, er wollte ihre Haare riechen. Der Schneeregen entschloss sich dazu, vollends Schnee zu sein. Daan saß da und hielt das wahre Leben an sein Ohr. Die Stimme, die ihn erreichte, war so nah, dass er sie fast spüren konnte, wollte.
Tuuuuut!
«Morrin?»
Tuuuuut!
Der Akku war leer. Das Batteriezeichen blinkte. Daan sah auf sein Handy, als hätte es ihn gerade angegriffen und schüttelte es wütend. Mit schnellen Schritten lief er nach Hause. Vielleicht rief sie ihn auf der Festnetznummer noch 'mal an. Er schlich ins Haus. Der Zettel lag ungelesen da, so kam es ihm jedenfalls vor. Der ganze Enthusiasmus bremste ab wie ein Schlitten, der auf einen Felsen trifft. Er sah nach oben, die Treppe hinauf, unsicher. Er hastete ins Arbeitszimmer und fand das Ladegerät für das Handy trotz verzweifelter Suche nicht und wartete, dass das Haustelefon vielleicht klingelte. Aber das tat es nicht. Er hatte Morrin seine Nummern gegeben, aber ihre hatte er nicht. Er rief die internationale Auskunft an, aber eine Morrin Mulligan war nicht eingetragen. Dann legte er sich auf die Couch, zog sich eine Wolldecke über den Kopf, schloss die Augen und wartete weiter.
Des Menschen wildes Herz
Nilah war außer sich. Sie zitterte unaufhörlich. Lief auf und ab und schlang die Arme um ihren Körper, als wären die Gedanken zu kalt, zu unaussprechlich. Sie hatte nur ganz kurz das Internet zu Rate gezogen, war mit den Antworten allein geblieben und hatte noch mehr Gründe erhalten, sich die Beine ruhelos in den Bauch zu stapfen, während laute Musik durch die Boxen dröhnte.
Alles war so unmöglich ... möglich? Ihr Kopf summte, ihr Magen grummelte, vor Hunger, aber sie hätte keinen Bissen herunterbekommen. Sie fühlte sich wie ausgesetzt - so fern von sich selbst! Sie wünschte, sie könnte ihrem Vater alles erzählen.
Sie lief die dunkle Treppe auf Socken hinunter. Als sie an der Küche vorbeikam sah sie, einen Zettel auf dem Tisch liegen. Eine Minute später ging sie wütend wieder nach oben, nach ganz oben, donnerte die Tür vom Dachboden zu und heulte. Man konnte ihr doch nicht einfach so das Leben unter den Füßen wegziehen, sie in etwas hineinstoßen, dem sie weder traute noch gewachsen war. Verdammt, war denn die ganze Welt verrückt geworden? Am Flughafen hatten ihr Vater und Morrin plötzlich so vertraut miteinander gewirkt. Das tat weh, auch wenn sie es nicht wollte. Und morgen musste sie in die Schule, verdammt noch mal. Wie sollte sie da sitzen - sie blätterte in ihrem Notizbuch – und Mathe, Deutsch, Geschichte und eine Doppelstunde Chemie über sich ergehen lassen, wenn ihr ... sie dachte den Gedanken nicht weiter. Stopp sagen! Das war das Mittel, um negative Gedankenspiralen zu unterbrechen. Das hatte sie irgendwo einmal gelesen.
«Stopp!», schrie sie.
Aber es nützte nichts. So wie
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