Die Bestimmung
Seelenfreund .
Sie forschte noch ein wenig weiter und fand Seiten, die von Leuten waren, denen das wirkliche Leben anscheinend ziemlich gegen den Strich zu gehen schien, aber auch ein paar, die sich ernsthaft mit dem Thema der Kelten auseinander setzten. Das meiste, das Nilah noch über diesen Begriff fand, nahm auf das Buch von O´Donohue Bezug, einige interpretierten es allerdings auch selbst oder benutzten andere Quellen.
Es ging darum, dass die Seelen zweier Menschen durch Liebe und Freundschaft unzertrennlich miteinander verbunden waren. Weder Zeit noch Raum konnten etwas daran ändern. Diese tiefe Freundschaft trug weder Masken noch bediente sie sich der Lüge. Sie setzte sich über alle Grenzen hinweg, konnte nicht zerbrochen werden, sogar der Tod selbst war machtlos gegen sie.
Nilah seufzte. Sollte es wirklich so etwas Romantisches geben? Eine Liebe, die wie der Ursprung der Welt war? Sie sah aus dem Fenster. Kaltes, sonniges Herbstlicht zog scharfe Schatten im Garten. Das Fleet glitzerte. Alles war ein wenig zu grell.
Sie stand auf und schlenderte mit ihrem Pyjama und auf Socken nach unten. Sie hatte Hunger. Etwas unschlüssig stand sie vor dem Kühlschrank. Irgendwie war gar nichts richtig da, obwohl sie das Kochen immer entspannte, hatte sie jetzt keine rechte Lust dazu. Also warf sie einfach eine Packung Spaghetti in den Topf und rührte sich aus Pasata und Kräutern eine Soße zusammen. Wenn ihr Vater nach Hause kam, konnte er sich wenigstens noch etwas davon in die Mikrowelle schieben. Daan konnte gerade mal Kaffee kochen oder sich eine Dose aufmachen, auf der stand: Nur erhitzen - oder den Pizzaservice anrufen. Wahrscheinlich wäre er schwer herzinfarktgefährdet, würde Nilah nicht wie ein wachsamer Luchs darauf achten, dass er bei all der Arbeit und dem Stress, den er oft hatte, nicht diese Fertiggerichte in sich hineinschlang. Das taten er und seine Mitarbeiter schon genug während der Arbeit. Wenn ihr Vater abends mal wieder nach Imbissbude stank, hatte er jedes Mal ein schlechtes Gewissen und erzählte beschwichtigend, er habe aber auch Salat dazu gegessen.
Sie hockte sich mit ihrem Teller vor den Fernseher, zappte mit der einen Hand unaufhörlich durch die Programme, mit der anderen stopfte sie sich Nudeln in den Mund. Die Nachrichtensender übersprang sie komplett. Diese Anzug tragenden Herren mit Seitenscheitel konnten ohnehin nur jedes Mal wieder vertrauensvoll in die Kamera blicken und einem erzählen, dass die Welt noch genauso grausam war wie am Tag zuvor, wenn nicht gar schlimmer. Also schaltete sie zwischen MTV , Eurosport und Spongebob hin und her und blieb jedes Mal dann hängen, sobald ein Song gut oder der kleine, gelbe Kerl lustig waren.
Das Wohnzimmer hatte eine große Fensterfront zum Garten hin. Der Raum selbst wurde von zwei riesigen und sehr gemütlichen tiefbraunen 4er Sofas beherrscht, die sich gegenüberstanden. Dazwischen war ein kniehoher, eleganter, dunkler Holztisch, der etwas Mondänes hatte und auf dem Zeitschriften, Kerzen, Fernbedienungen und anderer Krimskrams verteilt waren. Links davon war ein moderner runder Kamin, der auf einer großen Eisenplatte stand. Nilah fand immer, dass er aussah wie der Kessel einer alten Dampflokomotive, weil der Kamin eine runde, gusseiserne und verglaste Tür hatte. Man konnte ihn mit kleinen Holzpellets füttern - wie eine Lok eben. Aber das Ding war nur an, wenn es draußen so kalt wurde, dass einem die Ohren abfielen. In den letzten Jahren gab es ein Rekordjahr nach dem nächsten, das sich nicht mehr an die normalen Jahreszeiten und Temperaturen hielt. Für Nilahs Generation würde das zur leidvollen Normalität werden. Nicht mehr lang und sie könnten ein Aquarium aus dem Kamin machen. Mit bunten Tropenfischen.
Die Wände waren in TerrakottaFarbe gestrichen. Während die eine Wand mit Bücherregalen voll war, hingen ansonsten überall Erinnerungsstücke von Daans Dokumentationen: Ein zwei Meter langer Schwertwal aus Holz, in der Tradition der Haida-Indianer bemalt, ein ziemlich großes Schwarzweiß-Bild aus dem Hamburger Hafen, auf dem ihr Vater zwischen verschwitzten und verdreckten Werftarbeitern stand, alle grinsend. Kleine und große Fotografien, die alle entweder Menschen zeigten oder seltene Landschaften.
Mit Wehmut dachte Nilah daran, wie aufregend die Welt gewesen war, als sie auf einige dieser Reisen mitkommen durfte. Damals, als das Wort Schulpflicht für sie noch nicht existierte.
Der volle Magen machte sie
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