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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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sagen? Es sollte ja wie ein Kompliment klingen, aber eben nicht wie eines, das man falsch verstehen konnte. Als er sie wieder ansah, glühte Stolz in ihren Augen, nichts weiter. Erleichtert aß er weiter.
    «Da ist kein Fleisch drin», sagte sie.
    Liran nickte ein «Aha».
    «Ich bin Vegetarierin, also eigentlich Veganerin. Ich esse kein Fleisch, weißt du.» Sie schaute ihn an, als versuche sie ihm zu erklären, was Tag und was Nacht sei.
    «Ich weiß, was Du damit gemeint hast. Nur das Vegan ...»
    «Oh, es ist eine Wortschöpfung von einer gewissen Vegan Society, die 1945 in Großbritannien gegründet wurde. Es ist im Grunde nur eine Abkürzung von dem englischen Wort vegetarian . Das lateinische Wort vegetare...»
    «Erquickend, belebend ... ich bin des Lateinischen mächtig, Nilah.»
    «Oh.» Sie sah ihn einen Moment an, dann nickte sie entschuldigend. «Natürlich. Ihr Kelten seid ganz schön viel herumgekommen, was? Atticus hat mir einiges erzählt und einiges habe ich im Internet nachgelesen.»
    1945, Großbritannien, Internet? Liran reichte das vollkommen. Er wusste, er würde nur Kopfschmerzen davon bekommen.
    «Ich würde mich gerne waschen!» lenkte er ab, um erstens das Thema zu wechseln und zweitens, weil er sich schmutzig und verschwitzt fühlte. Wieder blickte sie ihn an, als sei sie sich nicht sicher, ob er das gerade wirklich gesagt hatte. Geduldig wartete er, bis sich ihre Gesichtszüge halbwegs normalisierten.
    Nilah lächelte, «Ähm ... sicher.» Sie stand auf und sah sich im Zimmer um, als suche sie verzweifelt, «... das ... kein Problem», sie fuhr sich über die Stirn, als versuche sie, sich zu erinnern, stemmte eine Hand in die Hüfte und zeigte mit der anderen endlich zur Tür, «... gleich da ... draußen ... um die Ecke ist es.» Sie hatte sich wieder gefasst.
    Mühsam und unter Stöhnen richtete sich Liran auf. Als die Decke von ihm rutschte und in seinem Schoß faltig liegenblieb, drehte sie sich so schnell um, dass er gerade noch sehen konnte, wie ihre Ohren von rosa zu rot wechselten. Er wickelte sich diese seltsam weiche Decke um die Hüften, verzog schmerzhaft das Gesicht als er aufstand und musste einen Teil seiner Magie bitten, auf den Beinen zu bleiben, damit er nicht einfach wieder umfiel. Mühevoll und schleppend folgte er Nilah.
    Sie redete schnell, als sie ihm das Bad zeigte. Es war recht schmucklos. Weiße Kacheln, ein Fenster für helles Licht, ein Waschbecken mit einem eckigen Spiegel darüber, eine Wanne in blau. Nur der Geruch war sehr verwirrend. Aber sonst sah er nichts, was er nicht schon in ähnlicher Form gesehen hatte, und so waren die Erklärungen ein wenig überflüssig, aber er hörte trotzdem höflich zu.
    Sie hatte eine sanfte Stimme. Ob sie ihm ein Bad einlassen solle? Hier sei heiß, da kalt. Seife war in komischen Flaschen, auf denen Bilder und Schriftzeichen waren, die könne er ruhig benutzen, oder solle sie lieber etwas für den Mann von ihrem Vater holen? Als er sagte, Wasser sei völlig ausreichend, war sie erneut sprachlos, aber sie kramte in einem Holzkasten herum, in dem tausend Dinge zu liegen schienen, und fand endlich eine kleine braune Flasche. Duftöl, sagte sie stolz. Er merkte, wie sie immer wieder, ganz beiläufig, auf die Tätowierungen blickte. Dann ließ sie ihn allein und schloss die Tür mit der Aufforderung, zu rufen, wenn etwas nicht in Ordnung sei.
    Als Liran in der Wanne saß – er hatte sich für etwas Lavendelöl entschieden, damit die Muskeln sich besser entspannten – fühlte er, wie sein Körper endlich ein wenig losließ. Die Begegnung mit Sunabru war nur verwischt in seiner Erinnerung. A´kir Sunabru. Wie, vor allem wer, bei allen Tiefen des Meeres, hatte ihn dort herausgeholt?
    Die Wanne war viel zu kurz für ihn, aber Liran musste ohnehin die Füße herausbaumeln lassen. Welch einfache Idee doch einen solch mächtigen Fluch bannen konnte. Sunabru war für einen Augenblick völlig in sich zusammengesunken, als er erkannt hatte, wer dort vor ihm stand. Das allein war es wert gewesen.
    Liran setzte sich auf und öffnete die Knoten in seinen Zöpfen, bis auf einen. Dort war das Geschenk versteckt. Ja, all die Zeit, all den Schmerz und all das Fieber, lösten sich ab und vermischten sich mit dem heißen Wasser. Er würde mit Nilah reden müssen. Er musste einige Dinge vorbereiten, wenn nicht gar von hier fortgehen. Würde sie das verstehen? Eines nahm er sich vor: Er würde sich über nichts wundern, hier in dieser Welt.

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