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Die Betäubung: Roman (German Edition)

Die Betäubung: Roman (German Edition)

Titel: Die Betäubung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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Krankenhäusern. Erstaunlich, wie schnell sich so eine Praxis wieder füllt.«
    Zwei junge Männer sind hereingekommen. Sie gesellen sich zu den lachenden Mädchen, holen sich Stühle heran und rufen laut nach Getränken.
    »Ich wünschte, Roos würde sich Hilfe suchen«, sagt Peter. »Aber sie selbst sieht das natürlich ganz anders. Es gehe ihr gut, sagt sie. Studium, Freunde, Aktivitäten – alles problemlos. Sie könnte also gewissermaßen in dem Grüppchen da drüben sitzen. Da geht man doch nicht in Therapie, oder?«
    »Warte doch erst mal ab. Wichtig ist nur, dass du den Kontakt zu ihr nicht verlierst. Sie schaut auch regelmäßig bei mir vorbei, weißt du? Nicht, dass sie viel erzählen würde, aber ich bekomme doch einen Eindruck davon, wie sie drauf ist. Mein Sprechzimmer hat sie jedenfalls großartig eingerichtet. Noch trauert sie um Hanna. Wart’s ab, das muss sich erst legen. Nehmen wir noch ein Bier?«
    Erst als Drik an der Theke steht, um zu bezahlen, spürt er, wie beschwipst er ist. Zu viel getrunken, zu wenig gegessen, zu miserable Verfassung. Weiß Gott. Er fürchtet, dass seine Knie nachgeben könnten, und lehnt sich schwer auf den Tresen. Mit äußerster Konzentration gelingt es ihm, das Portemonnaie aus der Gesäßtasche zu ziehen. Im selben Moment will jemand vorbei, es ist zu eng, oder die Leute stehen zu dicht gedrängt, jedenfalls stößt ihn jemand von hinten an und bringt ihn ernstlich aus dem Gleichgewicht. Er hält sich an der Stange fest, die um die Theke herumführt, und lässt das Portemonnaie fallen. Jetzt mit Bedacht, denkt er. Langsam bücken, den Gegenstand lokalisieren und dann, gegen das braune Holz gelehnt, die Hand danach ausstrecken. Er sieht die Beine des Remplers in Richtung Toilette gehen. Bekannte Schuhe. Das kann doch wohl nicht wahr sein, ist es dieser Junge, dieser Schuurman? Sieht er mich jetzt mit besoffenem Kopf über den Boden robben und nach meinem Geld tasten? Hat er mich hier stehen sehen und mir absichtlich einen Stoß versetzt? Nur mit der Ruhe jetzt, keine Panik. Er legt den Kopf auf die Knie. Klemmt das Portemonnaie zwischen beide Hände. Hoch jetzt, denkt er, aufrichten, bezahlen und weg. Du kannst es.
    Als er nach der Transaktion zum Tisch zurückgeht, blickt er vorsichtig über seine Schulter zur Toilettentür. Nichts zu sehen. Peter wartet schon mit seinem Mantel. Hat er den Jungen auch gesehen? Drik fragt nicht. Er hat Mühe, in seinen Mantel zu kommen, und legt sich den Schal wie in Zeitlupe um. Geschafft. Raus jetzt. Peter scheint keinerlei Probleme zu haben. Die zugeworfene Cafétür schneidet abrupt das Stimmengewirr und Lachen der jungen Leute ab. In der Stille draußen auf der Straße scheint die Fröhlichkeit noch kurz nachzuhallen, nicht unbedingt angenehm, denkt Drik, eher wie ein Abschied, Leere. Dort drinnen wird gelebt, und hier draußen stehen zwei sorgenvolle Männer mit Kummer und Leid. Das hängt mir ganz schön zum Hals heraus. Schwer zu verstehen, dass Peter so beunruhigt ist, Roos ist eine gut funktionierende junge Frau, Suzan eine adäquate Partnerin. Er weiß ja gar nicht, wie viel Glück er hat. In der Klinik sieht er doch Tag für Tag, dass es auch ganz anders sein kann. Essstörungen, Suchterkrankungen, Psychosen. Was ist dagegen schon das bisschen Schwermut, die kleine Störung des Verhältnisses zueinander? Viel Lärm um nichts. Abgesehen davon läuft doch alles sehr gut. Drik legt ein strammes Tempo vor, die frische Luft wirkt sich heilsam auf seinen berauschten Zustand aus. Ich arbeite wieder, sagt er sich. Es geht gut, es macht mir Spaß. Dass ich einen Patienten habe, den ich nicht richtig einordnen kann, dass ich da vielleicht Dinge übersehe – ach, das kam früher auch schon mal vor. Auch ich sollte mich nicht beklagen. Bei der nächsten Sitzung besser aufpassen, das Problem vielleicht einfach mal ansprechen, wer weiß, das ist doch meistens das Beste. Und wenn er es war, Schuurman, vorhin im Café, was soll’s? Ich habe niemanden beschimpft, niemandem den Kopf eingeschlagen. Ein bisschen angetrunken, in meiner Freizeit. Scheint mir kein verwerfliches Verhalten zu sein. Drik versucht, wieder mit Peter im Gleichschritt zu laufen.
    »Keine Sorge«, sagt er, »es wird alles wieder gut. Ist es doch schon, im Großen und Ganzen.«
    Er fasst seinen Freund bei der Schulter. »Mann, ich hab echt einen sitzen. Ist das gut oder nicht?«
    Peter muss lachen. »Hak dich bei mir ein. Bloß nicht hinfallen.«
    Drik schiebt seinen

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