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Die Betäubung: Roman (German Edition)

Die Betäubung: Roman (German Edition)

Titel: Die Betäubung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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zu stehen. Öfter zu Hause zu bleiben. Ich muss doch irgendwann einmal wieder ohne deine Betreuung auskommen können.«
    »Oh«, sagt Suzan.
    Was hat sie denn gedacht?, denkt er böse. Dass ich bei ihr einziehe? Für immer und ewig versorgt und gebunden? Ich will diese Kontrolle nicht, ich will da raus! Genauso habe ich mich früher zu Hause gefühlt – so was Blödes, dafür kann sie natürlich nichts. Verhalte dich endlich mal wie ein Erwachsener, versetz dich mal in andere hinein. Sie findet es schön, mit dir zu reden, über Roos, über alles, was sie auf dem Herzen hat. Du enttäuschst sie.
    »Ich finde es schön, euch alle zu sehen, das ist es nicht. Aber ich möchte mich hier wieder mehr zu Hause fühlen, verstehst du, und deshalb muss ich auch mal hier sein und nicht jeden Abend davonlaufen.«
    Sie verabreden sich für später in der Woche. Suzan klingt matt, und Drik hat ein schlechtes Gewissen und ist verstimmt. Er hat seine Schwester angelogen, sieht aber auch keine Möglichkeit, wie er das hätte vermeiden können. Er kann schwerlich sagen: Hör mal, ich habe einen Patienten, der nächste Woche deinen Weg kreuzen wird, und das bereitet mir Unbehagen. Was soll der Quatsch überhaupt, so etwas kommt doch häufiger vor. Du musst einfach den Mund halten, nichts sagen, was du nicht wissen kannst oder der andere nicht wissen darf. Wieso er in diesem Fall so ein Riesending daraus macht, weiß er nicht.
    Sein pubertärer Freiheitsdrang lässt ihn an früher denken. Er nimmt sich vor, am Nachmittag Leida zu besuchen, er ist seit Monaten nicht dort gewesen. Somit wird Leida davon profitieren, dass er jetzt, da er Suzan eine Absage erteilt hat, das Bedürfnis verspürt, etwas Nettes zu tun. Er weiß, so etwas nennt man Verschiebung, aber er schwingt sich trotzdem aufs Fahrrad.
    In der Buchhandlung findet er eine reich bebilderte Abhandlung über Krankenhäuser im Laufe der Zeit. Er lässt das Buch als Geschenk verpacken.
    »Von einem Extrem ins andere«, sagt Leida, als er bei ihr ist. »Vorige Woche war Suzanne hier, mit Roos. Sieh mal, da stehen noch ihre Blumen. Und jetzt du. Das ist ja eine richtige Invasion.«
    Er sieht, wie sie zärtlich mit der Hand über den Buchumschlag streicht. Sie schaut ins Inhaltsverzeichnis.
    »Wie nett von dir. Mein Krankenhaus steht auch drin. Das existiert gar nicht mehr.«
    Sie schlägt die entsprechende Seite auf.
    »Schau mal, was für ein schönes Gebäude. Ein Jammer, dass man es abgerissen hat. Hier hinten war das Schwesternheim, da habe ich gewohnt.«
    »Ich habe gehört, dass Roos dich zu berufstätigen Frauen befragt. Macht’s Spaß?«
    »Spaß, Spaß«, sagt Leida mit unwirscher Miene. »Es freut mich, dass sie an mich gedacht hat, aber das Thema ist alles andere als spaßig. Es hat mich in die damalige Zeit zurückversetzt, und dabei ist mir bewusst geworden, welche Freude ich an der Arbeit hatte und wie selbstverständlich ich sie aufgegeben habe. Für immer. Es war keine Rede davon, dass das nur eine vorübergehende Lösung sein würde. Ich war auf einen Schlag Exkrankenschwester.«
    »Warum hast du nicht wieder angefangen, als wir aus dem Haus waren? An Pflegepersonal mangelt es immer, es gibt Schulungskurse und Programme für den Wiedereinstieg in den Beruf, alles gratis. Mit offenen Armen hätten sie dich genommen!«
    »Als Suzanne anfing zu studieren, war ich fünfundfünfzig.«
    »Da hättest du doch noch zehn Jahre arbeiten können.«
    Leida steht auf, legt das Buch auf den Tisch und beugt sich über das Teeservice. Die Tassen klirren.
    »Ehrlich gesagt glaubte ich nicht, dass ich es noch gekonnt hätte. Da hatte sich so schrecklich viel verändert. Technische Neuerungen, damals schon, Computer, Monitore – alles war unbekannt und kompliziert. Heutzutage kann man Krankenpflege an der Universität studieren. Für mich hieß es noch Bettpfannen mit Lysol abseifen, schlaflosen Patienten eine warme Milch machen, Tabletten austeilen, Nägel schneiden. Nein, ich hätte es nicht mehr gekonnt.«
    Sie wischt sich mit einem Taschentuch, das sie aus ihrem Ärmel gezogen hat, über die Augenwinkel.
    »Das geht mir schon nahe. Aber du musst nicht denken, dass ich mein Leben bereue. Mein Beruf hat mich in die Lage versetzt, für euch zu sorgen. Ich hatte ja auch die Zusatzausbildung zur Kinderkrankenschwester gemacht und wusste daher, wie man ein Baby badet und ihm die Windeln wechselt. Und ich war es gewohnt, viele Dinge gleichzeitig zu machen.«
    »Hat Hendrik dich nie

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