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Die Betäubung: Roman (German Edition)

Die Betäubung: Roman (German Edition)

Titel: Die Betäubung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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ersten Mal mit so etwas zu tun! Der Junge ist achtundzwanzig Jahre alt und hat bis jetzt nie dekompensiert, also wird das wohl auch jetzt nicht passieren. Aber vom Alter her befindet er sich durchaus noch in der Gefahrenzone. Statistik bietet keinen Schutz. Ich hätte Schutz bieten müssen. Ich rufe ihn morgen an, erkundige mich, wie es ihm geht, und mache den Termin fest.
    Er geht ins Schlafzimmer, um andere Schuhe zu holen und einen Pullover anzuziehen.
    Er muss sich beeilen, um rechtzeitig da zu sein. Roos gibt gerade eine SMS in ihr Handy ein und schaut auf, als Driks Schatten über ihre Hände fällt. Sie hat einen duftigen Rock und ein schwarzes Jäckchen an. Zu knapp das Ganze und nicht warm genug, denkt Drik, sie sollte besser für sich sorgen. Ihr Geld und ihren Ausweis und ihr Handy auch nicht in so einem offenen Korb mit sich herumtragen zum Beispiel.
    »Möchtest du eine schöne Tasche von mir geschenkt haben, mit Lasche und Reißverschluss?«
    »Warum?«
    »Weil du mir mit dem Haus geholfen hast?«
    »Aber das ist doch schon Ewigkeiten her!«
    »Na, dann einfach so. Weil ich dir gern etwas schenken möchte.«
    »Okay. Lieb von dir. Dann gehen wir nächste Woche zusammen shoppen.«
    Endlich mal jemand, der ein Angebot von mir annimmt, denkt Drik. Aber wie lächerlich und armselig, dass ich darauf aus bin.
    Roos möchte einen Riesenteller leckere Vorspeisen, gegrilltes Gemüse, orangerote Wurst, geräucherten Schinken, doch als alles in voller Pracht auf dem Tisch steht, lässt sie ihre Gabel sinken.
    »Ich habe ein Problem. Darf ich es dir erzählen?«
    Drik kann gerade noch einen Seufzer unterdrücken.
    »Selbstverständlich«, sagt er. Er beobachtet Roos’ Gesicht, so ernst, so voller Vertrauen, dass es schon fast wehtut.
    »Mein Freund. Von dem habe ich dir doch erzählt, nicht? Hast du ihn neulich gesehen, im Orchester? Ich wollte ihn noch vorstellen, aber ihr wart auf einmal weg.«
    »Der Cellomann«, sagt Drik und kommt sich vor wie ein Verräter.
    »Ja. Ich habe seine Mutter gesehen. Und jemanden, der zu seiner Mutter gehört, ein Geiger. Er fand uns gut!«
    »Du sagtest letztens, dass der Altersunterschied manchmal schwierig ist?«
    Roos presst ihre Serviette zu einem Knäuel zusammen, und Drik sieht Allard mit den zusammengeknüllten Taschentüchern in den Händen vor sich. So viel Aufregung, Sorgen, Theater. Aber man kann so einem Kind nicht sagen, dass das unangebracht ist, dass sich alles wieder legen und vorbeigehen wird.
    »Ich glaube, dass er eine andere hat. Bestimmt eine, die älter ist als ich. Das braucht er vielleicht, er findet mich wohl kindisch, schätze ich. Aber warum sagt er dann nichts?«
    Ihre Stimme zittert. Drik trinkt einen Schluck Wein. Dieser Scheißkerl, denkt er, dieser gemeine Schuft. Dem Kind den Kopf verdrehen und sich nicht zurückziehen, wenn es schiefgeht. Der Feigling. Der Betrüger. Ich rufe ihn morgen nicht an. Soll er doch selbst sehen, wo er bleibt.
    »Was weißt du eigentlich von ihm?«
    Roos erzählt. Dass sie ihn kennengelernt hat, als sie in das Orchester kam, dass er ihr sofort aufgefallen ist, weil er immer im selben Moment lachen musste wie sie, dass er zuerst ihr Instrument bewundert hat und mit den Händen berühren wollte und dann sie.
    »Er ist einfach unheimlich lieb. Er macht mir kleine Geschenke, er denkt an mich. Ich kann mit ihm über alles Mögliche reden. Oder vor der Glotze hängen und Filme angucken. Er ist gleich über Nacht geblieben. Ich war verliebt, weißt du.«
    »Passt du auch auf? Ob du verhütest, meine ich. Damit du dich nicht ansteckst, nicht schwanger wirst?«
    »Mann! Verliebt, sagte ich. Und da redest du von Ansteckung! Natürlich verhüte ich. Er auch.«
    »Aber was weißt du von ihm? Arbeit, Freunde, Familie, solche Dinge.«
    »Er arbeitet in einer Art Anstalt oder einem Krankenhaus. Aber darüber reden wir nicht. Darüber hab ich zu Hause genug gehört. Wozu soll man das alles wissen?«
    »Vertraust du ihm?«
    Jetzt verstummt Roos für einen Moment. Drik schenkt ihr Glas noch einmal voll und blickt ihr aufmerksam ins Gesicht.
    »Anfangs ja. Aber in letzter Zeit benimmt er sich merkwürdig. Dann kommt er nicht oder viel zu spät. Neulich lagen wir zusammen im Bett, tagsüber, und da ist er plötzlich aufgestanden, hat sich angezogen und ist gegangen. Ohne etwas zu sagen. Ich versteh das einfach nicht.«
    »Warum glaubst du, dass er eine andere hat?«
    »Er fragt nie, ob ich mit einem anderen schlafe. Er findet das wohl

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