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Die Betäubung: Roman (German Edition)

Die Betäubung: Roman (German Edition)

Titel: Die Betäubung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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kurz vor sechs auf die Klingel drückt. Er lässt den Jungen ins Sprechzimmer vorangehen und staunt wieder einmal über dessen athletische, hochgewachsene Gestalt. Er nimmt im Therapeutensessel Platz und wartet den Bruchteil einer Sekunde zu lange.
    »Es ist aus«, sagt Allard mit starrem Gesicht. Jetzt kann Drik nicht anders, als um nähere Erläuterung zu bitten. Er nimmt sich vor, die Beendigung der Therapie später zur Sprache zu bringen, egal was passiert, spätestens um halb sieben. Lieber früher.
    »Wir hatten eine Simulationsübung. Suzan spielte eine Pflegekraft, und ich war der Anästhesist. Rudolf Kronenburg mimte den Chirurgen. Er macht erst seit kurzem mit. Es lief völlig aus dem Ruder. Wir müssen vor einem Eingriff immer mit dem gesamten Team besprechen, wie das Ganze angegangen werden soll. Auch die Kontrolle gehört dazu: Ob der richtige Patient daliegt, ob alle nötigen Utensilien vorhanden sind. Jeder muss sagen, wie er heißt und was seine Funktion ist, damit man einander zuordnen kann. Der Chirurg hatte das in der Simulation vergessen, und ich sprach ihn darauf an. Er rastete derartig aus, dass ich unsicher wurde, weil es so echt wirkte. Ich fand das sehr unangenehm. Bedrohlich. Aber ich war der Anästhesist. Und der muss eingreifen, wenn so etwas in Wirklichkeit passiert. Also sagte ich, dass wir die Operation in so einer Atmosphäre nicht durchführen könnten. Dass ich mich weigerte, daran mitzuwirken. Wir sollten den Patienten zurückschicken, meinte ich.
    Da bekam er tatsächlich einen Wutanfall. Suzan blieb zuerst noch in ihrer Rolle und tat, als wüsste sie nicht, wem sie jetzt Folge leisten sollte, dem Chirurgen oder mir. Als Kronenburg aber mit Scheren zu werfen begann, nahm sie ihren Haarschutz ab und versuchte, normal mit ihm zu reden, unter Kollegen, meine ich. Ich ging raus, das erschien mir besser. Im Beobachtungsraum saß Veenstra vor der Einwegscheibe und schaute zu. Er fragte, ob er eingreifen müsse, aber ich ging davon aus, dass Suzan Kronenburg schon zur Räson bringen würde. Das gelang ihr auch. Sie kamen zu uns, und er entschuldigte sich. Er hasse all diese Richtlinien und Vorschriften, sagte er, da sehe er rot. Wenn er in so einer Simulationsübung dann auch noch für diesen Unsinn einstehen solle, werde es ihm schon mal zu viel. Er habe sich vergessen, sorry, sorry. Suzan war ganz still. Kronenburg und Veenstra wollten das unter sich besprechen, und wir gingen.
    Da hat sie es dann gesagt. Dass Schluss sein müsse. Es sei Wahnsinn, was wir da machten. Sie sagte, unser Verhältnis sei auch nur eine Simulation. Nicht echt. Ein Theaterstück. Das hat sie gesagt.«
    Drik registriert eine gewaltige Erleichterung: Suzan ist zur Besinnung gekommen, Gott sei Dank. Ein bisschen von dieser Erleichterung ist ihm wahrscheinlich vom Gesicht abzulesen, denn Allard wird zornig.
    »Ja, das halten Sie bestimmt für eine gute Entwicklung! Grinsen Sie bloß nicht so selbstgefällig, für mich ist das eine Katastrophe! Eine Katastrophe! Sie haben ja keine Ahnung, was das für mich bedeutet, Sie wollten ja nie hören, wie wichtig sie mir ist. Ich dachte, es ist Ihre Aufgabe, nach der Bedeutung der Dinge zu suchen, aber Sie wollen doch nur, dass alles so schnell wie möglich vorbei ist. Tja, das wird aber nicht gehen. Ich liebe diese Frau nämlich. Sie gibt mir alles, was ich brauche, um durchzuhalten. Ohne sie kann ich nicht leben.«
    Allard beginnt herzzerreißend zu weinen. Er hat recht, denkt Drik. Ich wollte mir nie ansehen beziehungsweise habe mich davor gescheut, mir anzusehen, welche Bedeutung diese idiotische Beziehung haben könnte. Es musste einfach Schluss sein damit. Ich wollte lieber nichts davon hören, das stimmt.
    Allard schluchzt hemmungslos weiter, ihm laufen Rotz und Tränen über das Gesicht, und seine Atmung geht stoßweise und unregelmäßig. Drik reicht ihm die Box mit den Papiertaschentüchern. Allard lässt sie in seinen Schoß fallen.
    »Putz dir die Nase«, sagt Drik schließlich. »Ich hole dir ein Glas Wasser.«
    Als er zurückkommt, sitzt Allard noch genauso in seinem Sessel, die Papiertaschentücher im Schoß. Drik hält ihm das Glas Wasser hin. Für einen Moment steht das Bild: Der ältere Mann beugt sich fürsorglich über den Jüngeren. Dann hebt Allard die Arme und nimmt das Glas in beide Hände.
    »Ich gefährde meine Ausbildung, sagte sie. Als wenn mich das kümmern würde! Sie hatte für Vereycken gerade eine Beurteilung über mich schreiben müssen. Die

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