Die Betäubung: Roman (German Edition)
normal. Dass das drin sein muss und so. Na, ich finde das nicht. Er roch nach Parfüm. Er hatte einen Knutschfleck am Hals. Willst du noch mehr wissen?«
Sie klingt böse und verletzt.
»Nach dem Konzert hat er mich seiner Mutter vorgestellt. ›Das ist Roos‹, sagte er. Nicht: Das ist meine Freundin. Als ob er es geheim halten will.«
»Fragst du ihn dann, wie es sich damit verhält?«
Sie nickt. »Dann sagt er: ›Roosje, Roosje, nicht so misstrauisch sein, ich bin doch jetzt da!‹ Das bringt mir nicht viel. Was soll ich tun?«
»Gib ihm den Laufpass«, sagt Drik streng. »Du quälst dich doch selbst, wenn du damit weitermachst.«
»Aber es ist schön !«
»Nein, es ist nicht schön. Jemand, der dich so verunsichert, ist deiner nicht wert. Ein Verhältnis mit jemandem, der nicht auf deine Fragen und Vermutungen eingehen kann, führt zu nichts. Egozentrisch, unerwachsen. Unmöglich!«
Jetzt hört Roos aufmerksam zu.
»Dabei dachte ich: Er wird schon wissen, wie es geht, wie es zu sein hat, weil er schon so viel älter ist. Er ist doch erwachsen!«
»Auch Erwachsene können sich wie Kinder benehmen. Du musst das, was du spürst, ernst nehmen. Wenn du ihm etwas vorhältst und er so tut, als ginge ihn das nichts an, ist Schluss. Aus und vorbei.«
»Soll ich dann sagen: Hier hast du eine Tragetasche für deine Zahnbürste und deinen Rasierpinsel und deine DVDs, und jetzt hau ab? Ist es so einfach?«
Sie hat sich kerzengerade aufgesetzt und ist rot geworden.
»Nein«, sagt Drik, »einfach ist es nicht. Es ist immer schmerzlich. Aber die Alternative ist schlimmer. Das solltest du abwägen. Du kannst mehr, als du denkst!«
Roos nickt. Dann fängt sie an zu essen.
20
»Ich habe Schuurman jetzt drei Monate lang betreut«, sagt Suzan zu Ab Taselaar. »Es lief gut, keine Frage, aber ich finde, du solltest ihn jetzt bei jemand anders einteilen.«
»Hatte ich schon vor. Ich setze ihn nächste Woche zu Kees. Da kann er in die Kardioanästhesie reinschnuppern. Diese Woche darf er sich mal hier, mal da umgucken, das hat er bis jetzt noch gar nicht gemacht, und alle Neuanfänger dürfen das. Er war gerade zwei Tage bei Berend in der Schmerzambulanz. Apropos Ambulanz, wie sieht es denn mit deinen Forschungsplänen aus? Kommst du voran?«
»Ich arbeite noch am Konzept. Vom Dienstplan her dürfte es sehr schwierig werden, diese postoperativen Sprechstunden unterzubringen. Aber inhaltlich krieg ich das schon hin, ein netter Psychologe hilft mir dabei. Die Fragen haben wir schon fertig. Jetzt fehlt nur noch die Umsetzung in die Praxis.«
»Implementierung nennt man das«, sagt Taselaar feierlich. »Wenn alles mit dem Chef besprochen und abgesegnet ist, würde ich es an deiner Stelle mal bei unserer Sitzung einbringen. Dann wissen die Kollegen, dass es dein Projekt ist, und das macht eine Menge aus. Für dich haben sie ziemlich viel übrig. Und dann setzen wir uns auch mal zusammen und schauen, wie wir das mit diesen Anschlusssprechstunden hinkriegen. Wird schon werden. Ich gehe übrigens nicht davon aus, dass du irgendetwas finden wirst, so präzise, wie wir bei der Propofoldosierung sind.«
Suzan ist sich da nicht so sicher. Bei Notfalloperationen wird das Gewicht des Patienten geschätzt, da kann man wirklich mal Fehler machen. Und der eine braucht mehr als der andere, um das Bewusstsein zu verlieren.
»Seit ich mich intensiver damit befasst habe, bin ich bei den Muskelrelaxanzien vorsichtiger geworden«, sagt sie. »Dann können sie notfalls noch mit dem Bein zucken oder so, um etwas zu signalisieren. Der Chirurg findet das zwar nicht so toll, aber für mich ist es eine beruhigende Vorstellung. Danke für deine Ratschläge, Ab. Ich schreibe weiter.«
Sie zapft sich einen Becher Kaffee aus dem Automaten und geht zum Treppenhaus. Ihr Zimmer ist ein Stockwerk höher. Die Betontreppe befindet sich in einem Glasköcher, man kann den Haupteingang des Krankenhauses sehen und die Stationen im gegenüberliegenden Flügel. Unten neben dem Eingang stehen einige Raucher; in einer der kleinen Gestalten, mit rosafarbener Duschhaube auf dem Kopf, erkennt sie HNO-Arzt Ruud. Die schwindelerregende Höhe lässt sie einen Moment innehalten, ein flaues Gefühl im Magen und ein Kribbeln in den Kniekehlen. Eine Tür knallt zu. Schnelle Schritte hinter ihr die Treppe herauf. Zwei warme Hände um ihre Mitte, der Kaffee schwappt über den Becherrand und brennt auf ihren Beinen.
»Was?«, sagt sie, während sie sich umdreht, während
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