Die Betrogenen
Cornelius ein zufriedener Leser? Wunderbar. Karl revanchierte sich, indem er zugleich für die Agentur warb. Wenn Cornelius den nächsten Band seiner Miszellen fertig habe, denke er doch bitte an die Wiedenkopf. Sie war eine große Verehrerin, kein Wunder, schließlich war Cornelius eine Ausnahme unter den Gelehrten. Für die meisten Kollegen war Sprache ja ein Feuerstein, den sie lange schlagen mußten, bis ein Fünkchen sprühte, das sei doch bei ihm etwas ganz anderes.
Cornelius winkte generös ab. Wie war sie eigentlich zu ihrem Übernamen gekommen? Aber das wußte nicht einmal Karl. Sie war sogar ausgesprochen kinderlieb. Medea – wegen antikischer Größe ganz allgemein? Unbestreitbar hatte sie
poise
, wie es im Englischen hieß; auffällig klein gewachsen dabei, mit rundlichem Gesicht und kunstvoll gebauschten blonden Löckchen; der löwenhafte Halo um ihren Kopf paßte zu ihren grünen, katzenartigen Augen, auf die sie, wie Karl nicht entging, ihre Gewänder abstimmte, mit denen der Korallenschmuck, den sie oft trug, reizvoll kontrastierte.
Cornelius mußte sich wundern, wenn er an die unsinnigenGerüchte dachte – Karl wußte ja, daß ihr selbst Voodoo angedichtet wurde, mit dem sie ihre Feinde verhexe. Feinde hatte sie in der Tat nicht wenige, das konnte Karl bestätigen, viele Verleger schätzten es überhaupt nicht, daß sie die Vorschüsse für ihre Autoren in die Höhe trieb. Hätten diese Verleger über die entsprechenden Püppchen und Nadeln verfügt, wären die Migräneanfälle der Wiedenkopf wohl noch heftiger.
Die Wiedenkopf, ein unerschöpfliches Thema!
Wie Karl denn persönlich mit ihr zurechtkomme, als Chefin sei sie doch sicher nicht ohne? Aber Karl konnte nicht klagen. Praktikanten hatten nicht viel zu lachen, Praktikantinnen noch weniger, aber ihn behandle sie gut, sie kümmere sich um alles, das war das Geheimnis ihres Erfolgs: Wenn ein Schriftsteller eine Erkältung hatte, brachte sie ihm persönlich eine Hühnersuppe vorbei, die sie auch noch selbst gekocht hatte; ein aufsteigendes Talent mußte er allerdings sein. Cornelius wäre also in bester Hand!
Der Professor deutete eine Verbeugung an und verabschiedete sich schmunzelnd; ihre Mäntel hatten sie inzwischen abgeholt, nachdem Karl seine Marke in der letzten aller möglichen, der linken Westentasche gefunden hatte – sie war nicht, wie gefürchtet, durch das Bleistiftloch ins Jackettfutter gerutscht. Man treffe sich ja spätestens zur Preisverleihung, Karl reise doch hoffentlich an?
Karl schätzte ihn aufrichtig, obwohl Cornelius ihm einmal ein Stipendium verschafft hatte, weswegen er ihm dankbar sein mußte. Was bekanntlich oft zum Gegenteil führte. Wem man etwas zu verdanken hatte, bei dem fanden sich schnell auch allerhand Lächerlichkeiten und Defekte, die der Selbstachtung aufhalfen und die Bürde der Dankespflicht erleichterten. Und schon huschten, wie der Dichter sagte, die Wölfe der Undankbarkeit durch den Winter unseres Herzens – was Karl mit Blick ins eigene nur bestätigen konnte, wenn auch nicht im Falle Cornelius.
Eine Sache würde er aber auch der Wiedenkopf nie vergessen, dachte er auf dem Nachhauseweg, so oft sie ihn auch aus dem Nachtschlaf klingelte. Sie hatte den letzten Gedichtband seiner Mutter untergebracht, als der schon der Kummerkrebs die Niere zerfraß. Der Band
Gamurets Kinder
war dann posthum erschienen; Bittner hatte ihn würdig rezensiert.
Brutus & Co
Auf Bittner war die Wiedenkopf nun allerdings so wenig gut zu sprechen wie er auf sie, was wohl an der kurzen gemeinsamen Vergangenheit lag. Was?, hatte Bittner ihn einmal zurechtgewiesen, als er erwähnt hatte, mit ihr über einenBittnerschen Verdruß gesprochen zu haben – er hatte es der Senta erzählt? Dann hätte Karl es genauso gut an die Chinesische Mauer hängen können! Wußte er denn nicht, daß es kein besseres Mittel gab, ein Gerücht zu verbreiten, als es unterm Siegel der Verschwiegenheit der Senta anzuvertrauen? Die Wiedenkopf wiederum spöttelte gern über Bittners tröpfelnde Produktion, kein Wunder, war er doch in die Fänge der Konkurrenz geraten.
Brutus & Co
jedenfalls hatte Cornelius gefallen – um so besser. Karl hatte auch lange genug dafür gesammelt. Der Untertitel
Kulturgeschichte des Verrats
war vielleicht eine Spur zu modisch, aber der Verlag hatte nun einmal darauf bestanden. Und dann waren ja auch schon die ersten erfreulichen Besprechungen ins Haus geflattert. Nur Bittner hatte bislang vernehmlich dazu
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