Die Bettelprophetin
lächelte wieder. «Darf ich dich zurückbringen?»
«Lieber nicht.» Sie schüttelte den Kopf. Er bot ihr den Arm und führte sie über den Steg bis zum Grasweg.
«Dann also bis Sonntag.»
Im nächsten Augenblick hatte er ihr die Hände auf die Schultern gelegt, federleicht nur, hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und eilte davon zu seinem Pferd.
Noch am späten Abend schlug Theres’ Herz so heftig, dass sie nicht einschlafen konnte. Sollte es wirklich sein, dass sich das Schicksal wendete und ihr mit Glück aufwartete? Nach all den freudlosen Jahren? Sie wusste nur eines mit Gewissheit, auch wenn sie sich noch so heftig dagegen wehrte: Sie hatte sich Hals über Kopf in Kasimir von Eichborn verliebt.
Am nächsten Sonntag wanderte Theres wieder zur Hütte hinaus und am übernächsten erneut. Sie scheute die körperliche Nähe dieses Mannes und sehnte sich doch nach nichts anderem. Dabei hätte nicht einmal eine Anstandsdame etwas auszusetzen gehabt an dessen Betragen, so galant und aufmerksam gab er sich weiterhin. Doch seine Blicke, seine scherzhaften Wortspielereien und die flüchtigen, scheinbar absichtslosen Berührungen verrieten ihr mehr als deutlich, dass auch er sie mochte.
Meist unterhielten sie sich über dies und jenes, in einer Leichtigkeit, die ihr gefiel. Er wirkte klug und sehr weltmännisch. Sie erfuhr, dass er einer Landgrafenfamilie im Unterland entstammte, sich schon als ganz junger Bursche dem Militär angedient hatte und viel in Deutschland herumgekommen war.
«Ich hatte mich mit meinem Vater nicht allzu gut vertragen, und so wollt ich immer schon in die Welt hinaus. Und zur Kavallerie wollt ich, weil ich Pferde liebe.»
«Dann hatte Ihr Vater sicherlich viele edle Pferde?»
Sie konnte sich noch immer nicht zum Du durchringen, so vertraut ihr Kasimir inzwischen auch war.
«Ja, ja, gewiss. Er hat sie gezüchtet.»
Auch über Ulm sprach er viel, dieser einst so stolzen Reichsstadt, die lange Zeit darniedergelegen habe und jetzt förmlich explodiere mit ihren zahlreichen modernen Fabriken und dem Bau der Festung, wofür allein Zigtausende von Taglöhnern und Handwerkern dorthin gezogen seien. Dazu wimmle es von Pionieren, die zum Festungsbau herbeikommandiert worden seien und sich nun die raren Unterkünfte mit der Ulmer Friedensbesatzung streitig machten. Ein andermal schwärmte er vom Münster, diesem riesigen, uralten Gotteshaus, das nun endlich von reichen Bürgern vollendet und bald den höchsten Kirchturm der Welt erhalten werde.
Irgendwann während ihres zweiten Treffens erzählte Theres ihm nun doch von Sophie, die sie als ihre Freundin aus Kindertagen bezeichnete, ohne zu verraten, dass sie zusammen im Waisenhaus gelebt hatten. Denn über ihre Herkunft hatte sie dem Rittmeister nur die halbe Wahrheit offenbart, nämlich dass sie ein Bauernmädchen von der Alb sei.
«Du glaubst also, sie lebt in Ulm?»
«Das hab ich zumindest gehört.»
«Dann werd ich mich die nächsten Tage einmal umhorchen. Das versprech ich dir.»
Bei ihrem dritten Zusammentreffen überredete er Theres zu einem kleinen Ausritt. Ein Angler hatte sich nämlich in ihrer Nähe niedergelassen und gaffte immer wieder neugierig zu ihnen herüber.
«Es gibt hier in der Nähe eine Sandgrube. Wenn die Sonne scheint, so wie heut, ist es dort fast sommerlich warm.»
Der Ritt dauerte einiges länger, als Theres erwartet hatte, zumal Kasimir von Eichborn sein Pferd in vorsichtigem Schritthielt. Seinen taubenblauen Waffenrock hatte er ausgezogen und vor sich über den Sattel gelegt. Anfangs genoss Theres das Geschaukel auf dem großen Tier, mitten durch die Felder, unter diesem blitzblanken Himmel und einer Frühlingssonne, die sich schon alle Mühe gab, zu wärmen. Als sie aber merkte, dass sie ihr Dorf umrundet und hinter sich gelassen hatten, wurde sie unruhig.
«Wie weit ist es noch?»
Er bog einen Arm nach hinten und hielt sie um die Hüfte.
«Wir haben es gleich geschafft. Lehn dich nur an mich an, wenn dich das Reiten anstrengt.»
Theres spürte durch den Hemdstoff hindurch seinen muskulösen Rücken, und ihr Herz schlug sofort schneller. Sie kämpfte mit sich, eine kurze Zeit zumindest, dann legte sie ihren Kopf an seinen Nacken.
Kurz darauf gelangten sie an einen Hügel. Vor dichtem Strauchwerk zügelte Kasimir sein Pferd und half ihr beim Absteigen. Dann band er Sultan an einem Baum fest.
«Wir sind da.» Er klemmte seinen Rock unter den Arm und fasste Theres bei der Hand. «Komm!»
Sie mussten
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