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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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das alles tut mir selber am meisten leid.Ich mach mir halt manchmal Sorgen um dich, weil du mir ans Herz gewachsen bist.»
    So redete er weiter auf sie ein und begann am Ende sogar zu weinen. Doch Theres’ Entschluss stand unwiderruflich fest. Als sie am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang mit ihren Sachen im Türrahmen stand, sagte der Pfarrer bekümmert: «So geh denn mit Gott. Ich kann dich nicht halten. Aber du weißt, dass ich in Weingarten Meldung machen muss. Weil du doch den Vertrag gebrochen hast.»
    «Tun Sie, was Sie tun müssen, Herr Pfarrer.» Sie reichte ihm die Hand. «Leben Sie wohl und – danke!»

13
    Bürgerhaus in Ravensburg, Sommer 1839
    «So, so. Du hast also gehört, dass wir eine Stubenmagd suchen.» Kopfschüttelnd musterte die schlanke Frau mit dem hübschen, aber strengen Gesicht Theres. Frau Schönfärber wirkte riesig, wie sie da in ihrem leichten, hellblauen Foulardkleid drei Treppenstufen über ihr in der Haustür stand. Ebenso riesig wirkte das rosa verputzte Steinhaus, dessen beiden oberen Stockwerke mit der Traufseite wuchtig über das Eingangstor ragten. Unwillkürlich zog Theres den Kopf ein.
    «Ja, gnädige Frau.»
    Sie knickste abermals. Dabei begannen ihre Knie zu zittern. Den ganzen Tag war sie marschiert, und hätte nicht ein mitleidiger Bauer sie am Nachmittag auf sein Fuhrwerk aufsteigen lassen, hätte sie Ravensburg heute ganz sicher nicht mehr erreicht.
    «Und wo, bitt schön, hast du das gehört?»
    «Von den Allgaiers, aus Tettnang.»
    «Ach! Dann bist du also mit meiner Base bekannt?»
    «Das nicht gerade. Eher mit der Dienstmagd der Allgaiers.»
    Die Frau verzog die schmalen Lippen zu einem spöttischen Lächeln.
    «Du kommst also allen Ernstes auf Anempfehlung einer Magd? Mit Sack und Pack, als könntest du mir nichts, dir nichts hier einziehen?»
    «Sie könnten es doch probehalber mit mir versuchen. Oder – oder brauchen Sie gar niemanden mehr?»
    Hinter der Schulter der Hausherrin tauchte das hagere, backenbärtige Gesicht eines ältlichen Mannes auf.
    «Wo bleibst du denn, Alwina?» Die Stimme klang ungeduldig. «Wir sitzen alle vor dem Abendessen und warten auf dich.»
    Bei diesen Worten krampfte sich Theres’ Magen schmerzhaft zusammen. Sie hatte bis auf ein Stück Brot noch nichts gegessen.
    Der Mann schob sich an Frau Schönfärber vorbei. Er war um einiges kleiner als sie.
    «Wer ist das?»
    «Dieses Mädchen will bei uns als Magd anfangen.»
    «Na, das ist doch wunderbar! Suchst du nicht seit Wochen händeringend nach einem Mädchen, liebste Alwina? Gerade jetzt, wo unsere liebe Tochter uns bald verlässt!» Er musterte Theres, und was er vor sich sah, schien ihm zu gefallen. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. «Wie heißt du?»
    «Theres Ludwig.»
    «Konrad Schönfärber mein Name – meine Gattin Alwina Schönfärber. Bist du aus der Gegend?»
    «Von Altdorf drüben.»
    Das war zwar nur die halbe Wahrheit, aber gelogen war es schließlich auch nicht.
    «Hast du denn gute Zeugnisse?»
    «Eines nur, gnädiger Herr. Vom Pfarrer aus Ringschnait. Das war meine erste Stellung nach der Schulzeit.»
    «Siehst du, Konrad?» Frau Schönfärber sah ihren Gatten triumphierend an. «Viel zu jung und unerfahren ist das Ding. Und dann – ein Pfarrhaus! Womöglich auch noch ein altgläubiges.»
    «Ach, Alwina. Ob evangelisch-lutherisch oder römisch-katholisch – das hat doch in unserer Stadt nie eine Rolle gespielt», und dann, an Theres gewandt: «Lass uns das Zeugnis mal anschauen!»
    Theres kramte aus ihrem Beutel den Umschlag hervor und reichte es dem Hausherrn. Zum Glück hatte Pfarrer Konzet ihr eine sehr gute Beurteilung geschrieben und in einem Anflug von Großmut sogar verschwiegen, dass sie vorzeitig gegangen war.
    «…   zeigte viel Fleiß und gute Aufführung   … durch ordentliches Betragen empfohlen   … willig und bescheiden   …»
    Schönfärber blickte zufrieden auf. «Das klingt doch recht erfreulich.»
    «Gut, gut, ich gebe mich geschlagen.» Frau Schönfärber seufzte, als habe sie gerade eine höchst unangenehme Entscheidung getroffen. «Ein Monat auf Probe, dann sehen wir weiter. Jetzt komm herein.»
    Theres wusste nicht, ob sie erleichtert oder besorgt sein sollte. Diese Frau wirkte mehr als selbstsicher. Allein ihr Äußeres, ihre Gesten und ihre Miene drückten Dünkel und Hochmut aus. Auch das Innere des vornehmen Hauses, mit seinen geschnitzten Türen, dem breiten Treppenaufgang und den goldgerahmten Bildern und Stickereien

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