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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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überall an den Wänden, schüchterte Theres eher ein. Wenngleich ihr geübtes Auge sofort erkannte, dass hier schon längere Zeit nicht mehr gründlichgeputzt worden war: Der Fliesenboden im Eingangsbereich war fleckig, auf Bilderrahmen und Bodenvasen hatte sich eine helle Staubschicht gelegt, und der Handlauf der Eichenholztreppe klebte unter den Fingern. Aus einem der Räume drangen helle Kinderstimmen. Theres wurde von Frau Schönfärber zur Küche geführt, die noch größer und besser ausgestattet war als die von Bauer Wohlgschafft.
    «Das ist das Rösle, unsere Köchin.»
    Die etwa dreißigjährige Frau, die gerade einen Teller Suppe löffelte, hätte keinen treffenderen Namen führen können. Alles an ihr war rund, glatt und rosig. Neugierig starrte sie Theres an.
    «Und das ist die Theres. Sie wird probehalber bei uns als Magd anfangen. Gib ihr was zu essen und erklär ihr schon einmal ihre Aufgaben. Alles Weitere dann nach Tisch.»
     
    In den nächsten Tagen sehnte sich Theres fast an den überschaubaren Pfarrhof zurück. Das riesige Haus des Fabrikanten Schönfärber sauberzuhalten schien ihr ein Ding der Unmöglichkeit. Zwar erfuhr sie von Rösle, dass zum Frühjahrs- und Herbstputz sowie zur großen Wäsche Taglöhnerinnen eingestellt wurden, ansonsten lag es allein an Theres, die Böden der unzähligen Zimmer und Winkel zu fegen und zu schrubben und all das Zeugs, das da massenweise auf Anrichten und Kommoden herumstand, vom Staub zu befreien.
    Dreizehn Räume hatte Theres gezählt. Allein im obersten Stockwerk befanden sich drei Schlafkabinette: eines für die beiden Söhne, eines für die drei Töchter, das dritte für die Ehegatten. An Letzteres grenzte noch ein Boudoir für die Dame des Hauses. Darunter, im ersten Obergeschoss, befanden sich Küche, Wohnstube, Bücherkabinett und das Prunkzimmer, von Konrad Schönfärber stolz als sein «Staatszimmer» bezeichnet,von seiner Frau hingegen, ganz im Zeitgeist, als «Salon». Für diesen Raum musste sich Theres immer erst eigens den Schlüssel besorgen, denn er wurde nur zu ganz besonderen Anlässen geöffnet, für ausgewählte Gäste nämlich oder zu hohen Festen.
    Als sie nach einigen Tagen zum ersten Mal, im Beisein Frau Schönfärbers, den Salon betreten durfte, hatte sie sich im Saal eines Fürsten geglaubt: Der holzgetäfelte Raum war um einiges größer als die Wohnstube. Von der dunklen Kassettendecke schwebte ein vielarmiger Kronleuchter über einem langgestreckten Tisch, an den zwölf moderne Stühle mit gestickten Blumenbuketts in genau gleichem Abstand gerückt standen. Die Beine von Tisch und Stühlen wie überhaupt aller Möbelstücke waren geschwungen und mit zierlichen Schnitzereien versehen. Gestickte Sinnsprüche, zwei Spiegel in Goldrahmen und Familienbilder in allen Größen schmückten die Wände, die breiten Fenster mit ihren grün-gelblichen Butzenscheiben ließen ein seltsam unwirkliches Licht herein.
    So unwirklich wie all die Dinge, die auf Kaminsims, Kommoden und Zierschränkchen ausgestellt waren. Da gab es eine Schildkrötentabaksdose, eine ganze Sammlung von Prunkkelchen und Zinntellern, eine Zylinderuhr mit Goldgehäuse und vor allem unzählige bemalte Sammeltassen. «Zum Angedenken aus treuem Herzen», las Theres auf der einen, «Aus Liebe und Dankbarkeit» auf einer anderen.
    «Dass du mir hier ja nichts durcheinanderbringst!», hatte Frau Schönfärber sie schroff gewarnt und Theres, als sie sich ans Staubwedeln machte, für diesmal nicht aus den Augen gelassen.
    Unten im Erdgeschoss befand sich das Reich des Hausherrn. An seine Arbeitsstube, die zugleich als Kontor diente, grenzte ein kleiner Verkaufsraum mit Warenproben. Hinzu kam einZimmer für Übernachtungsgäste. Hier unten allerdings hatte Theres nichts zu schaffen, vom Wischen der Eingangsfliesen abgesehen. Unterm Dach schließlich waren von der Bühne zwei Kammern abgetrennt. Die größere, durch die der Kaminschacht führte, bewohnte die Gesellschafterin und Gouvernante der Kinder, Fräulein Euphrosina genannt. Die ältliche Frau, die in ihrem hochgeschlossenen, braunen Kleid mit dem engen Mieder über dem Korsett dürr und steif wie ein Bohnenstecken wirkte, hatte Theres gleich am ersten Abend zurechtgewiesen: Sie möge doch bitteschön im Beisein der Kinder nach der Schrift sprechen. Theres hatte nur genickt und sich vorgenommen, diesem Weib so weit als möglich aus dem Weg zu gehen.
    Sie selbst zog zu Rösle in die unbeheizte Mansardenkammer. Immerhin

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