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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Schönfärber, der sich mit anderen Handelsleuten und Fabrikanten zu einem Verschönerungsverein zusammengeschlossen hatte, war man dabei, die alte Befestigung nach und nach aus der Welt zu schaffen.Ginge es nach den Mitgliedern des Vereins, sollten baldmöglichst auch die uralten Stadttore verschwinden, weil sie die Durchfahrt von schweren Güterwagen und damit den freien Handel nur behinderten. «Licht und Luft müssen in die Stadt», waren Schönfärbers Worte. «Nur so kann der Bürger gesund leben.»
     
    «Morgen haben wir endlich Ruh vor der Schönfärberin mit ihren zwei kleinen Bettseichern», frohlockte Rösle, «den ganzen Tag lang.»
    Sie waren auf dem Weg zur Vorabendmesse. Dreimal die Woche marschierte Theres zusammen mit der Köchin hinüber zur katholischen Pfarrkirche beim Frauentor: sonntags in die Heilige Messe, dienstags zum Rosenkranzbeten und samstags in die Vorabendmesse. Sie tat das nicht, weil der Gottesdienst dort sie sonderlich erbaut hätte, sondern einzig und allein, um ihrer Herrschaft zu entfliehen. Wie die meisten aus der Schicht der Kaufleute und Fabrikanten, der Staatsbeamten und Gebildeten – von den Einheimischen respektlos «Blutwurst» genannt, da sie alle versippt und verschwägert schienen – waren auch die Schönfärbers evangelischen Glaubens und besuchten die evangelische Pfarrkirche am andern Ende der Stadt.
    «Wieso?», fragte Theres.
    «Weil sie eine Sonntagsausfahrt zu ihrer Tettnanger Verwandtschaft machen.»
    «Etwa zu den Allgaiers?»
    «Zu wem denn sonst? Schon auf neun Uhr haben sie die Kutsche bestellt.»
    Nachdem Theres an diesem Abend die Zwillinge zu Bett gebracht hatte, klopfte sie noch einmal an die Tür zur Wohnstube. Frau Schönfärber saß mit einer Stickerei am Fenster, der Rest der Familie um den Tisch: Konrad Schönfärber blätterteim Schwäbischen Merkur, seine Älteste in ihrer Klavier- und Singschule, Konstantia studierte die Verkaufsanzeigen in den Beilagen, und die Gouvernante fragte gerade den Sohn des Hauses aus dem Zumpt ab: «Viele Wörter sind auf is – Masculini generis!», dozierte sie mit erhobenem Zeigestöckchen.
    «Was gibt’s noch?» Alwina Schönfärber blickte unwillig von ihrem Stickrahmen auf. Ihr war anzusehen, dass sie das Hereinplatzen in ihr Familienidyll so gar nicht schätzte.
    «Verzeihen Sie die Störung, gnädige Frau. Aber Rösle hat mir gesagt, dass Sie morgen nach Tettnang fahren.»
    «Ja und?»
    «Könnten Sie mir vielleicht einen Gefallen tun und dieses Brieflein mitnehmen? Es ist für meine Freundin Sophie, sie ist doch Stubenmädchen bei den Allgaiers.»
    «Bin ich die Botengängerin meiner Magd?» Die Schönfärberin tat entrüstet. Dann blickte sie kurz zu ihrem Mann, der sie auffordernd ansah. «Meinetwegen – ich will mal nicht so sein», lenkte sie schließlich ein.
    Ohne sich aus ihrem Lehnstuhl zu erheben, streckte die Hausherrin den Arm aus, und Theres beeilte sich, ihr das zusammengefaltete Papier in die Hand zu legen.
    «Haben Sie recht vielen Dank. Und gute Nacht auch, allseits.»
    Bis auf Konrad Schönfärber erwiderte niemand ihren Gruß, und sie wollte gerade leise die Tür hinter sich schließen, als der Hausherr rief: «Warte, Theres! Sei doch so nett und füll uns noch ein Krüglein Wein im Keller ab.»
    «Hast du denn heut Abend keine Gesellschaft auf dem Museum?», fragte seine Frau erstaunt.
    «Ach, weißt du, liebe Alwina – wir sitzen doch gerad alle so gemütlich beisammen. So oft wird das nicht mehr sein, wo doch Kornelie uns in wenigen Wochen verlässt.»
    «Aber Papa», sagte nun die älteste Tochter, «Friedrichshafen ist doch nicht aus der Welt.»
    Theres wusste inzwischen, dass es in besseren Kreisen üblich war, unter Freundesfamilien eine Zeit lang die Töchter zu tauschen, damit sie schon als Jungfern fremde Haushaltung lernten. Sie würde Kornelie keine Träne nachweinen, wenn sie im Herbst endlich das Haus verließ, denn die älteste Tochter kam ganz nach ihrer Mutter: schön, herrisch und hochnäsig. Faul war sie obendrein. Vielleicht würde ja die neue Haustochter, die im Gegenzug kam, ein wenig mit anpacken.
    «Verzeihen Sie, Herr Schönfärber», wagte Theres die Unterhaltung zu unterbrechen. «Ein Krüglein vom Hiesigen oder vom Seewein?»
    «Vom guten Seewein, bitte.»
    «Und verschütte nicht wieder den halben Krug unterwegs», fuhr Kornelie sie an. «Sonst kannst heut Nacht noch das Treppenhaus putzen.»
    Wenig später brachte Theres den Wein und holte Gläser aus der

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