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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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zog Hannes einen Beutel mit Münzen aus seiner Hosentasche.
    «Damit du einen Sitzplatz in der Kutsche bezahlen kannst.»
    «Das kann ich nicht annehmen.»
    «Das ist das Mindeste. Du wirst bloß wieder krank, bei diesem Wetter die ganze Zeit auf dem Dach.»
    Nachdem er sie hinüber zum Gasthof Hirschen begleitet hatte, wo sich die Poststation befand, war Theres froh um das Geld. Nasskalter Nebel stand in den Gassen und ließ sie frösteln in ihrem zerschlissenen Umhang.
    «Ich mach mir immer noch Sorgen um dich», sagte Hannes, als er sie ein letztes Mal in den Arm nahm. «Versprich mir, dass du im Spital bleibst, bis du ganz gesund bist.»
    Sie nickte nur und stieg in die Kutsche. Ein Ruck ging durch das Wageninnere, dann begann die Kutsche über das Pflaster zu rumpeln. Müde presste sie ihr Gesicht gegen das Fenster. Vor dem Gasthof stand ihr Bruder und winkte und winkte, bis der Novembernebel seine hagere Gestalt verschluckte.
    Einst Stubenmädchen, dann Saumagd, dachte sie voller Bitterkeit, und nun schon zum dritten Male im Armenspital – konnte man noch tiefer sinken?

Teil 3
    Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe. 

19
    Oberamtsgebiet Ulm, Frühjahr 1844
    Theres stellte den Korb mit den Eiern ab und überlegte. Wenn sie die Landstraße nahm, würde sie den Nachbarhof, wo sie die Eier abgeben sollte, erst bei Einbruch der Dunkelheit erreichen und im Stockfinstern heimkehren müssen. Oder aber sie nahm die Abkürzung auf dem schmalen Pfad quer durch das Ried, auf die Gefahr hin, abzurutschen in einen der moorigen Gumpen. Beides war gleichermaßen unangenehm.
    Sie entschied sich für die Abkürzung, auch wenn sie sich schon etliche Male ausgesponnen hatte, wie es wohl war, wenn einen das Moor in die Tiefe zog. Zu der Angst vor der Dunkelheit kam nämlich noch das unweigerliche Gezeter der Bäuerin, wenn sie sich erst so spät ans Aufräumen in der Küche machen würde. Bei den Kleinbubs gab es nämlich nur eine einzige Magd auf dem schäbigen Hof, und das war sie. Wahrscheinlich würde sie es hier nicht mal bis Martini aushalten, das ahnte sie schon jetzt, nach gerade einmal drei Wochen. Für einen Hungerlohn und einen Saufraß rackerte sie sich ab, schlafen musste sie in einem Verschlag hinter dem Federvieh, und den Stecken ließ der Bauer nicht nur seine acht Kinder spüren, sondern auch Knecht und Magd. Fast war ihr, als wäre sie selbst wieder Kind im armseligen Haushalt ihres Ziehvaters Nepomuk Stickl.
    Aber sie hatte viel zu oft vergeblich an die Türen der Bauerngeklopft, nachdem sie Anfang März als gesund und dienstfähig aus dem Ravensburger Spital entlassen worden war, mit einem neuen Reiseschein und der Warnung, sich nicht wie dereinst ihre Mutter zu zwecklosem Umherziehen und Vagieren verleiten zu lassen. Aus unerfindlichen Gründen hatte auf einmal jeder im Heilig-Geist-Spital gewusst, dass sie die Tochter der Landstreicherin Maria Bronner war.
    So war sie also Tag für Tag weitergewandert, immer in Richtung Ulm, um dort nach ihrer alten Kinderfreundin Sophie zu suchen, war immer hungriger und mutloser geworden, bis sie schließlich hier bei den Kleinbubs gestrandet war, auf diesem verlotterten Gehöft im Donautal vor Ulm. Ohne es sich erklären zu können, schreckte sie plötzlich davor zurück, Sophie aufzusuchen, die sie in adretter Dienstbotentracht vor sich sah, mit rundem, rosigem Gesicht und strahlenden Augen voller Stolz auf ihre Stellung in einer geordneten, reichen Bürgerhaushaltung.
    Theres schickte sich eben an, auf dem schmalen Pfad das Ried zu durchqueren, in das sie einige Male mit den Kleinbub-Kindern zum Torfstechen abkommandiert worden war, als der Boden unter ihren Füßen zu federn und zu beben begann. Unsicher trat sie zwischen zwei Birken hindurch auf den Weg, als ein Reiter auf sie zu geprescht kam auf seinem schweißglänzenden, hellen Fuchs.
    «Zur Seite!», schrie der Uniformierte, aber es war zu spät. Das Pferd scheute, stellte sich auf die Hinterhand, sie stürzte rücklings ins Gesträuch. Der Korb mit den Eiern flog zwischen den wirbelnden Hufen hindurch mitten in den Ufermatsch eines Tümpels.
    Mühsam rappelte Theres sich auf, Arme und Gesicht waren von Zweigen zerkratzt. Währenddessen hatte der Mann sein Ross endlich zum Stehen gebracht.
    «Du Satansbraten!», rief er, wobei diese Beschimpfung offensichtlich nicht ihr, sondern dem Pferd galt.
    Er glitt zu Boden und klopfte dem Fuchs beruhigend den

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