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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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gewiss bald vorbei.»
    «Ja, das ist der Unterschied», sagte Sephe leise.
    Theres sah keine Veranlassung, sich bei der Arbeit zu schonen. Schließlich hatte sie sich als Kind oft genug Knie oder Ellbogen aufgeschlagen. Die ersten Tage sah es auch aus, als würden die wunden Stellen rasch zuheilen. Dann aber, am Morgen des letzten Erntetages, erwachte sie mit Kopfschmerzen, und es fröstelte sie, als ob sie Fieber hätte. Mühsam schleppte sie sich an die Dachluke, die zum Haupthaus hin lag, und sah im Eingang Sephe sitzen.
    «Sephe!»
    Ihrer Kehle entrang sich nicht viel mehr als ein Krächzen. Das Mädchen blickte erstaunt zu ihr hinauf, und Theres winkte ihr kraftlos zu.
    «Theres? Was ist? – Wart, ich komme.»
    Erstaunlich behände kam Sephe gleich darauf die Leiter heraufgeklettert.
    «Jessemarie, Theres! Du bist ja ganz heiß!»
    «Ich glaub, ich hab Fieber.»
    «Was ist mit deinem Arm passiert?»
    In ihrer Armbeuge hatte sich die Haut leuchtend rot verfärbt. Ihr Schienbein sah nicht besser aus. In zungenförmigen Ausläufern war alles rot, an einigen Stellen sogar geschwollen, und fühlte sich heiß an.
    Erschöpft ließ sich Theres auf ihr Lager sinken.
    «Sag deinem Vater, dass ich heut nicht arbeiten kann.»
    Sephe nickte. «Da wird er schön fluchen.»
    Das tat Zinstag auch, als er am späten Nachmittag zu ihr herauf auf den Strohboden gestiegen kam.
    «Himmelherrgottsackerment! Hättst dir keinen andern Tag aussuchen können? Wir brauchen heut jede Hand, und du liegst hier rum!»
    «Es tut mir leid», hauchte Theres. Sie hatte die alte Pferdedecke bis zum Hals hochgezogen.
    Inzwischen waren die entzündeten Stellen noch größer geworden und schmerzhaft angeschwollen. Es brannte wie Feuer, dazu quälten sie Schüttelfrost und pochende Kopfschmerzen.
    «Die Sephe hat gesagt, du hättest so komische Beulen am Körper. Zeig her.»
    Widerwillig streckte sie Arm und Bein heraus. Zinstag wich zurück, als habe sie den Aussatz.
    «Dass mich der Hagel erschlag! Das sieht ja ekelhaft aus. Wenn das morgen net besser ist, musst zum Arzt.»
     
    Am nächsten Morgen sah es eher noch übler aus, mit Blutblasen an einigen Stellen. Sie hatte die Nacht in fiebrigem Halbschlafverbracht und war zu schwach, um aufzustehen. Irgendwann erschien Zinstag zusammen mit dem jungen Knecht. Gemeinsam schleppten sie Theres, eingewickelt in ihre Decke, hinunter in den Hof und legten sie auf den Heuwagen, vor dem bereits das Ross angespannt war. Dann verschwand der Knecht nochmals im Kuhstall und kehrte mit ihrem Reisesack zurück. Umständlich und darauf bedacht, sie nicht zu berühren, stopfte er ihn ihr unter den Kopf.
    «Bring sie zum Riedlinger Amtsarzt», befahl Zinstag seinem Knecht. «Und auf dem Rückweg holst das Holz vom Krähenäcker. Und weh, du trödelst.»
    Dann drückte er Theres, die rücklings und mit geschlossenen Augen auf den harten Brettern lag, einen Beutel in die Hand.
    «Das Geld für den Arzt. Zurückkommen brauchst übrigens nicht mehr. Kranke Mägde können wir hier nicht brauchen.»
    Als das Pferd anzog, hob Theres den Kopf. Unter dem Torbogen der Hofeinfahrt stand Sephe, mit tränenüberströmtem Gesicht, und winkte ihr mit ihren mageren Ärmchen zu.
    «Vergiss mich net, Theres», rief sie. «Und werd wieder gesund!»

18
    Oberschwaben, Herbst 1843
    Als Theres die Augen öffnete, erkannte sie über sich das vertraute Gesicht ihres Bruders. Hinter ihm blendete eine weißgekalkte Wand ihr in den Augen, das kleine Fenster war vergittert.
    «Wo – bin – ich?» Die aufgesprungenen Lippen brannten beim Sprechen.
    «In Münsingen. Im Krätzezimmer des Amtsarztes.»
    «In Münsingen?»
    Hinter ihren Schläfen begann es wieder schmerzhaft zu pochen, und sie schloss die Augen. Verschwommene Bilder drangen in ihre Erinnerung – eine enge, überfüllte Krankenstube, eine junge Frau mit dem schütteren Haar eines räudigen Hundes im Nachbarbett, ein verwahrlostes Weib im Bett gegenüber, die Arme und Beine mit kupferfarbenen Pusteln und offenen Schwären bedeckt, die nässten und bluteten. Dann das Entsetzen, als die Frau sich plötzlich aufrichtete und ihre grässliche Fratze preisgab: Nase und Unterlippe waren bereits halb weggefressen von dem teuflischen Ausschlag.
    Theres stöhnte auf.
    «Du hattest solches Glück!» Hannes wischte sich über die Augen. «Ein Händler hat dich in einer Waldhütte gefunden. Er war auf dem Heimweg von Riedlingen nach Münsingen und hat dich wimmern hören. Da hat er dich auf

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