Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
den nennt man Kalifornien. Skinner prostete Foy mit dem Mineralwasser zu und dachte, dass er unbedingt hier weg und all diese Trinkanlässe hinter sich lassen musste. Sie lauerten überall; diese Erwartung, dass man jedes Mal, wenn man mal das Haus verließ, Alkohol zu sich zu nehmen hatte. Es war so natürlich wie das Atmen.
Und er liegt da, am anderen Ende der Stadt, in Little France in seinem Krankenhausbett, in das ich ihn gebracht habe, und kämpft um sein Leben. Jetzt muss ich an seiner Seite kämpfen. Ich muss ihm beistehen. Das ist das Grausamste überhaupt, das, was sie einem nicht erzählen, dass man bei einem derartigen Fluch untrennbar mit dem anderen verbunden ist. Dass man irgendwann die Verantwortung für den anderen hat. Aus einem echten Feind wird so etwas wie eine Ehefrau, ein Kind oder ein pflegebedürftiger Elternteil. Dann beherrscht er plötzlich dein ganzes beschissenes Leben, man wird die Fotzen nie wieder los.
Die vielen Gelegenheiten, sich zuzudröhnen: Sie brachten Kibby um. Aber hier war man nun mal in Edinburgh, Schottland. Eine kalte Stadt an der Peripherie Europas, wo es die meiste Zeit des Jahres früh dunkel wird, viel regnet und grau ist, dachte er düster. Schimpft sich eine Hauptstadt, doch die wichtigen Entscheidungen für ihre Bewohner werden immer noch viele Meilen entfernt getroffen. Perfekte Rahmenbedingungen für selbstzerstörerische, exzessive Saufgelage, dachte Skinner. Ja, er musste hier weg.
Als er nach Hause kam, setzte er sich an den Küchentisch. Von Emotionen überwältigt, schrieb er einen Brief an seine Mutter:
Liebe Mum,
es tut mir Leid, dass ich betrunken war, als ich Dich nach meinem Vater gefragt habe. Als ich das letzte Mal bei Dir vorbeikam, wollte ich mich eigentlich dafür entschuldigen, aber dann war Busby da, und ich glaube, Du selbst hattest auch etwas getrunken, es war einfach nicht der passende Moment. Zwischen uns hat es in letzter Zeit nicht gestimmt, aber ich möchte, dass Du weißt, wie sehr ich Dich liebe.
Ich habe beschlossen, Dich nicht noch mal nach meinem Vater zu fragen. Ich respektiere, dass Du aus Gründen, die ich wohl nie verstehen werde, entschieden hast, diese Information für Dich zu behalten. Aber Du solltest umgekehrt auch wissen und akzeptieren, dass ich Klarheit haben muss. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich dabei nicht auf Deine Hilfe zählen kann. Ich weiß noch nicht alles, aber ich komme der Sache näher. Ich habe mit De Fretais gesprochen, mit Old Sandy, und versucht, ein paar von den alten Punks aufzuspüren. Jetzt reise ich nach Amerika, um Greg Tomlin zu finden.
Wenn Du mir noch etwas mitteilen möchtest, melde Dich bitte bis nächsten Donnerstag, denn dann fliege ich in die Staaten. Ich möchte, dass Du weißt, dass Du mehr für mich getan hast als jede Familie mit beiden Elternteilen, und dass mein Wunsch, meinen Vater kennen zu lernen, nicht bedeutet, dass ich Dich und was Du für mich getan hast, nicht zu würdigen weiß. Außerdem kannst Du Dich darauf verlassen, dass, wie auch immer Deine Beziehung zu meinem Vater war, nichts meine Liebe zu Dir schmälern kann.
Für immer Dein Junge,
Danny.
Er steckte den Brief in einen Umschlag und ging hin, um ihn ihr durch den Briefkastenschlitz zu stecken. Aber dann wollte er nicht riskieren, ihr im Treppenhaus zu begegnen, daher ging er zu Bevs Friseursalon und steckte ihn dort in den Kasten. Morgen früh würden sie ihn zwischen den ganzen Rechnungen und Werbezetteln der Takeaways aus der Umgebung finden.
Zwischen scharrenden und protestierend kreischenden Vögeln lief er die Bernard Street entlang: Die Restaurants hatten Berge von Abfällen draußen stehen, und die Müllabfuhr hatte sich verspätet. Dicht neben den nervösen, streitlustigen Möwen hatte eine ölig-blauschwarze Krähe ein großes Stück Leber ergattert und hackte daran herum.
Als er zu einer neuen Café-Bar kam, ging er hinein, setzte sich mit einem Mineralwasser mit Limettensaft in eine Ecke und ver suchte, die Evening News zu lesen, war jedoch zu sehr mit seinen eigenen Dramen befasst. Seine geheimen Erwägungen befass ten sich mit San Francisco, wo die Sonne schien, man gerne im Freien war, bewusst und gesund lebte. Man konnte bestimmt tolle Sachen dort machen, Sachen, bei denen Alkohol keine Rolle spielte. Wie konnte Edinburgh da mithalten? Außerdem war Greg Tomlin in San Francisco, der Spitzenkoch, von dem Skinner allmählich glaubte, er könnte tatsächlich sein Vater sein.
Ich hasse das
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