Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
viel, was wir Erkrankten in Aussicht stellen können.
Wie unsere Tests ergeben haben, ist Brians Körper besonders in der Zeit, in der es dunkel ist, extremen Traumen ausgesetzt, es ist, als müsste er alle Kräfte zusammennehmen, um eine massive Zufuhr von Toxinen abzuwehren. Die Attacken sind faszinierend, wenn auch äußerst beunruhigend, und unsere zahllosen Tests auf diesem Gebiet werden fortgesetzt, solange der Patient sie verkraftet.
Die Degeneration von Brians Leber macht es jedoch notwendig, chirurgisch einzugreifen. Er befindet sich in unmittelbarer Lebensgefahr; wie ich bereits sagte, ist eine Lebertransplantation unumgänglich, wenn sein Leben gerettet werden soll. Sobald wir einen geeigneten Spender haben, werden wir operieren.
Ich habe bereits ausgeführt, dass Brians restliche Organe durch diesen Zustand schwer in Mitleidenschaft gezogen sind. Wie lange seine Nieren dieser permanenten Belastung standhalten werden, können wir nur raten. Wir versuchen daher, für diese Organe ebenfalls Spender zu finden, und natürlich steht die Dialyse bereit. Zum Glück hat sich sein Zustand seit der Einlieferung in dieses Krankenhaus ein wenig stabilisiert. Wir können nur in Brians Interesse hoffen, dass diese Entwicklung anhält.
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27
Siechtum
Als er seine fatale Lage überdachte, bekam Brian Kibby zum ersten Mal richtige Angst: blanke, uferlose Angst. Er bebte derart vor Panik, dass er fürchtete, sich die Seele aus dem Leib zu zittern. Zuerst hatte ihn sein Gesundheitszustand zu sehr deprimiert, um ihm wirkliche Angst zu machen. Danny Skinner und dessen irrationale Abneigung gegen ihn hatten ihn abgelenkt. Nun war er alleine und konnte an wenig anderes denken als an das Schicksal, das ihm beschieden war, während sein Haar ihm wie Nadeln in den Nacken pikste.
Kibby betrachtete die anderen Männer auf seiner Station. Sie waren nicht wie er. Sie waren alt und mehrheitlich auf den ersten Blick als notorische Trinker zu erkennen. Es gab sie in zwei verschiedenen Versionen: entweder so erbärmlich dünn und schrumplig, dass sie aussahen wie zu groß geratene Heuschrecken, oder total aufgedunsen, wie Wale mit Gelbsucht. Und zu denen hatten sie ihn reingesteckt. Wodurch hatte er, ein bis dahin kerngesunder, robuster junger Mann, der ein untadeliges Leben geführt hatte, diesen Fluch auf sich gezogen?, haderte Kibby mit seinem jämmerlichen Schicksal.
Warum nur? Und es war ein Fluch, darin hatte diese verrück te Alte Recht gehabt! Aber wer sollte mich mit einem Fluch belegen? Warum sollte mich irgendwer mit einem Fluch belegen wollen?
Seine verzweifelten Gedanken wurden unterbrochen, als Mr Boyce vorbeikam, um ihm den Ablauf für die angesetzte Operation zu erklären. Nackte Todesangst überkam Brian. Seine blasse, bleiche Hand krallte sich in den Hemdsärmel des Chirurgen, als er flehentlich fragte: – Warum, Doktor? Warum ich?
Raymond Boyce berührte leicht den Rücken von Kibbys Hand, das genügte schon, dass dieser beschämt losließ. – Brian, Sie müssen versuchen, stark zu bleiben, sagte er mit fester Stimme. – Um Ihrer Mutter und Schwester willen, fügte Boyce hinzu, verstimmter, als er sich anmerken ließ, weil man ihn als Doktor tituliert hatte. Als Chefchirurg hörte er nach britischer Tradition streng genommen auf »Mister«.
– Wie? Wie kann ich stark bleiben? Ich hab doch gar nichts gemacht, stöhnte Brian Kibby in seinem abgrundtiefen Elend. – Mit einundzwanzig ist mein Leben schon vorbei. Ich bin noch Jungfrau, Doktor, und das mit einundzwanzig! Ich war auch schon vor dieser Geschichte sehr schüchtern gegenüber Mädchen …
Der Chirurg schüttelte ein Prickeln ab, das ihm in die Wangen stieg, plusterte sich auf und sagte: – Man weiß im Leben nie, was hinter der nächsten Ecke auf einen wartet. Sie dürfen nicht aufgeben!
Als Boyce ihn verließ, dachte Kibby an Lucy, im Speziellen daran, wie er ihr die Träger dieses grünen Kleids von den Schultern streifte.
Elder Clinten und Elder Allen mit ihrem dämlichen Traktat konn ten ihn doch am Arsch lecken … Ich kratze hier ab, ich verende, ver dammte Scheiße noch mal! Ich will nicht als Jungfrau sterben … die alte Spinatwachtel … der hätte ich’s besorgen sollen … aber da gibt’s noch jemanden, der es nötig gehabt hätte …
Und vor seinem fiebrigen, jedoch lebhaften inneren Auge waren da nur Lucy und er, zu Fuß unterwegs in den Bergen, sie in dem grünen Kleid, mit hochhackigen Schuhen und einem schweren Rucksack
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