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Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Titel: Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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als aggressiv. In Großbritannien haben wir den Hang, andere zur Sau zu machen, wenn wir Oberwasser haben. Wir können es uns einfach nicht verkneifen, zu singen, wenn wir gewinnen, wo doch ein bisschen Anstand und Bescheidenheit vielleicht …
    Arschlecken.
    Ich hoffe, Brian Kibby singt inzwischen wieder wie eine Lerche. Eingedenk des Zeitunterschieds mache ich mich auf und kaufe eine internationale Telefonkarte. Es wäre ja ein bisschen unverschämt, von Dorothys Apparat anzurufen. Es dauert eine Ewigkeit; man muss etwa 900 Ziffern wählen, aber irgendwann erreiche ich unser Büro in Edinburgh und lasse mich zu Shannon durchstellen. – Shan, Danny.
    – Danny! Wie ist Kalifornien?
    – Toll. Ich fühl mich sauwohl hier. Wie geht’s Brian? Irgendwas gehört?
    – Soweit ich weiß, liegt er in diesem Moment unterm Messer.
    Genau in dem Moment, da ich das höre, fährt mir ein rasender Schmerz in den Rücken. Mir wird schwarz vor Augen, mein Magen dreht sich um, und der Hörer flutscht mir aus der schweißnassen Hand. – Shan … mir gehen die Einheiten aus … ich maile dir … bis dann …
    Ich höre noch ihre besorgten Abschiedsworte, als ich auf dem Gehweg zusammenklappe, Körper und Kopf schwer wie Blei. Ich bleibe eine Weile stöhnend liegen, ich kann nicht sprechen, und niemand bleibt stehen, um mir zu helfen. Ich bin total bewegungsunfähig; ich kann nur in die warme Sonne Kaliforniens blinzeln und langsam ein- und ausatmen.
    Als ich meine Augen schließe, versinke ich ins Nichts.
    Es ist fürchterlich kalt, und ich zittere in meinem Hemdchen, als sie mich auf der Bahre in den Vorraum des OP s rollen. Der Anästhesist sagt mir, ich soll von zehn an rückwärts zählen. Aber anscheinend hat das Zeug keine Wirkung auf mich: Meine Nerven flattern so, dass ich zapple, und das trotz der Medikamente, die mich vor der OP beruhigen sollten. Und es sieht auch nicht so aus, als wäre es der richtige Arzt! Es sieht nicht aus, als wäre das unter der Maske Dr. Boyce! – Doktor …
    – Schon gut, sagt er. – Zählen Sie einfach. Zehn. Neun. Acht. Sieben. Sechs. Fü – Ich bin draußen vor unserem Haus in Featherhall, komme am Park vorbei und will gerade ins Treppenhaus gehen, da sehe ich, dass Angela Henderson mich anguckt. Sie sieht aus, als hätte sie geweint. – Ich dachte, wir wären Freunde, sagt sie zu mir.
    Du bist kein nettes Mädchen, du bist ein böses Mädchen, und ich hab gesagt bekommen, von deinesgleichen soll ich mich fernhal ten.
    Aber manchmal wirkt sie so nett.
    Angela heult, und sie dreht sich um und lässt mich stehen. Ich sehe ihren hängenden Kopf, und ihre blaue Strickjacke und ihren karierten Rock und die Strumpfhose mit diesem Muster an der Außenseite.
    Ich versuche ihr nachzugehen, aber ich höre eine Stimme, die mich stolpern und fallen lässt.
    DU BIST EIN NICHTS, KIBBY.
    Ich bin kein Nichts …
    Ich bin kein …
    Ich bin kein …
    Aber ich falle rasch ins Leere … Ich habe keine Ahnung, wo ich jetzt bin. Es ist nicht zu Hause, es ist einfach das Nichts, und ich falle immer noch …
    … dann scheint sich die Luft um mich herum zu einem Gas zu verdichten, dann zu Feuchtigkeit, dann zu einer Flüssigkeit, aus der eine sirupartige Substanz wird, die meinen Fall abfängt, und dann glaube ich, auf einen Glasboden aufzuschlagen, aber er gibt nach, und mein Fall beschleunigt sich wieder, und wann immer ich die Augen zu schließen versuche, kann ich es nicht, ich sehe weiterhin Gegenstände und Menschen, dann Gesichter, die an mir vorbeiwirbeln, ich werde mit irgendwas zusammenprallen und in tausend Stücke zerspringen …
    … und ich wappne mich mit jeder Faser meiner selbst für den Aufschlag, ehe mir bewusst wird, dass ich wieder langsamer werde …
    Ich fühle etwas, wovon einem übel werden könnte, überall um mich herum, in mir …
    Ich bin weggegangen. Ich weiß es …
    So weit weg, dass ich nie zurückfinden werde.
    Zu weit draußen. Zu weit weg.
    Ich will nach Hause.
    Dann erklingt die Stimme. Sie scheint aus dem Inneren meines Kopfs zu kommen, aber es ist nicht meine Stimme, es sind nicht meine Gedanken. Ich … ich will das nicht, nicht hier sein, ich will meine Mum, meine Schwester … meinen Dad, ich will, dass es wieder so ist, wie es war …
    Es hört sich an wie mein Dad.
    Es sieht nicht aus wie mein Dad, weil es nichts auszusehen gibt, aber er ist es. Er sagt mir, ich soll durchhalten, dass es mir wieder gut gehen wird und dass Caz und Ma mich brauchen.
    Ich halte durch.

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