Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
macht einen viel besser im Bumsen, kein Zweifel. Das hat nicht nur mit der überschüssigen Energie zu tun; weil es das einzige Vergnügen ist, das dir noch bleibt, willst du möglichst lange was davon haben, und das heißt, das Mädchen muss Gott weiß wie oft kommen, ehe du abspritzt.
Ich bin selbst noch leicht benommen, als ich kurz darauf unter einer Horde größtenteils in die Jahre gekommener Dinnerparty-Typen Platz nehme, insgesamt fünfzig. Ein oder zwei gelangweilte Yuppie-Hausfrauen haben sich auch druntergemischt. Ich bin immer noch dabei, Tomlins Buch querzulesen, das ich mir vorhin gekauft hab, und mache mir verdammte Sorgen, weil es mit so viel homosexuellem Scheiß gewürzt ist.
Ich werde aus meinen beunruhigenden Spekulationen gerissen, als Tomlin unter höflichem Applaus reinkommt und sich in einen schweren Ledersessel setzt. Ihm gegenüber nimmt ein anderer Typ in einem identischen Sessel Platz und stellt sich als Besitzer des Buchladens vor. Als ich Tomlin genaustens mustere, bin ich unwillkürlich ein winziges bisschen enttäuscht. Schlimm genug, dass alles an ihm Schwuchtel schreit, aber er sieht auch noch ein bisschen zu kurz geraten aus, um mein alter Herr sein zu können. Das Autorenfoto auf dem Umschlag ist offensichtlich antik, und es ist unverkennbar, dass es die Vorlage für die Karikatur in der Zeitung war. Das einst schwarze, gelockte Haar wird beim aktuellen Tomlin bereits grau, außerdem wird es dünner und weicht zurück. Er hat eine blühende Gesichtsfarbe, die er seinen geplatzten Äderchen verdankt. Entweder ist er der rasende, gestresste Küchenchef mit zu hohem Blutdruck, oder das süße Leben ist ihm nicht fremd. Aber egal was, mein cooler, sonnengebräunter kalifornischer Dad ist er nicht.
Nach einem arschkriecherischen Intro seitens des Buchladenbesitzers tritt Tomlin ans Lesepult, um zu lesen. Anfangs liest er stockend und nicht besonders selbstbewusst, aber er findet bald seinen Rhythmus und erledigt seine Aufgabe recht ansprechend, als das Publikum erst einmal warm mit ihm geworden ist. Er liest viel zu lange für meinen Geschmack, aber als dann das Publikum Fragen stellen darf, zeigt sich Tomlin als die übliche, archetypische, ironische Tunte, die eine Überdosis Oscar Wilde erwischt hat.
Übers Kochen liest man nicht viel in dem Buch. Es ist eher eine Autobiographie mit auffallend vielen, überaus persönlichen Sexerinnerungen; das Pendant zu den Große-Schwänze-meines-Lebens-Ergüssen britischer Seite-drei-Klunten, allerdings aus der Sicht des Arschfickers und in Worten mit mehr als zwei Silben wiedergegeben. Mich interessierte natürlich besonders das, was den Archangel betrifft, namentlich die Zeilen:
Diese wundervolle Lasterhöhle voller Chaos, Klatsch und Skandal wurde – und ist – meine spirituelle Heimat. Dort lernte ich kochen und noch eine ganze Menge mehr: Ich hatte fleischlichen Umgang mit Küchen-und Servicepersonal beiderlei Geschlechts, jeden Alters und aller Rassen.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass eine gewisse grünhaarige Punkette auch darunter gewesen ist. Die Frage ist nur: Kommt es zeitlich hin? Wo war er, und, noch wichtiger, wen fickte er am Sonntag, dem 20. Januar 1980, neun Monate bevor Daniel Joseph Skinner in diese Welt flutschte?
Trotz der Machart des Buchs sind die Publikumsfragen langweilig und beschränken sich auf die paar Alibirezepte und die beste Methode, dies oder das zu kochen, ohne besonderes Interesse an den biographischen Einzelheiten. Tomlin wirkt ein bisschen enttäuscht, aber was zum Teufel erwartet der Schwanzlutscher? Er ist bloß ein Koch; diese Fotzen halten sich immer für Gott weiß was, aber letztendlich wollen wir von ihnen nicht mehr als ein halbwegs genießbares Fresschen. Wir sind auf ihre Kochtipps scharf, nicht auf ihre Bettgeschichten, obwohl ich ja die eine Ausnahme im Publikum bilde. Zu meiner größten Freude geht es nicht zu lange, da Tomlin ein Produkt zu verkaufen hat, und das ist mit fast vierzig Dollar pro Exemplar nicht gerade billig zu haben. Ich schinde erst mal Zeit und stell mich hinten an der Reihe an, dann halte ich ihm mein Exemplar zum Signieren hin. Tomlin sieht aus der Nähe noch zerzauster, älter und kleiner aus. Aber seine Augen funkeln trotzdem munter genug, als er mich betrachtet und das Buch nimmt. Er trägt einen Goldring am Finger, auf dem die Initialen G.W.T. eingraviert sind. – Für wen soll ich die Widmung schreiben?, fragt er, und sein Akzent klingt wie eine schwulere,
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