Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
Ich gebe nicht auf.
Es war eins der drei großen städtischen Krematorien in der Stadt. Wie die anderen beiden hatte es eine Kapelle, einen Erinnerungshain und einen kleinen Friedhof. Die Sonne hatte kräftig geschienen, aber jetzt war sie hinter einer dunklen Wolke verschwunden, und Beverly Skinner war plötzlich kalt. Sie schaute hoch, versuchte die Bahn der Wolke abzuschätzen, weil sie hoffte, die Sonne käme bald wieder zum Vorschein.
Sie legte den Blumenstrauß auf seinem Grab ab, auf den schmucklosen Stein, den sie schon so oft besucht hatte, immer heimlich und allein. Und noch nach so langer Zeit kamen ihr prompt die Tränen. Es war nicht normal, es war nicht richtig; sie war damals doch noch ein junges Mädchen gewesen. Aber er war so ein wahnsinnig netter Kerl, und es war schrecklich, dass es so geendet hatte. Hätte sie ihnen das ganze Leid ersparen können, wenn sie ihm einfach an Ort und Stelle verziehen hätte? Wäre sie nur nicht mit –
Nein.
Jetzt war es zu spät, dachte sie, als sie nach unten auf den Grabstein schaute.
DONALD GEOFFREY ALEXANDER
12. JULI 1962 – 25. DEZEMBER 1981
Sie schaute wieder hoch zu den Wolken und dachte an ihren Sohn. Wo immer er war, sie betete, dass er in Sicherheit war und dass er ihr verzeihen würde. Die Wolke vor der Sonne schien nun aufzureißen und sich aufzulösen, aber als sie nach Norden sah, bemerkte sie, dass dunklere, stürmischere vom Horizont heraufzogen.
Ich schaue nach draußen, auf Potrero Hill, und sehe, dass sich einige dunkle Wolken zusammenballen. Gut möglich, dass es dort drüben kräftige Schauer gibt, während wir hier unten schönsten Sonnenschein haben. Mikroklima. Ich liebe das Licht hier; es ist unruhig, flimmert und fließt, spielt seine Rolle als wichtiger Akteur in dem Reigen der Dramen, die sich in dieser Stadt entfalten.
Nicht dass ich mich daran beteiligen könnte; dafür sehe ich nie genug Licht bei meinen gottverdammten Arbeitszeiten.
Paul sagt immer, dass ich zu viele Stunden abreiße, und ich kann ihn nur immer wieder darauf hinweisen, dass ich schließlich Koch bin. Ein Koch arbeitet, während andere sich amüsieren. Und nun verlässt er mich, und dafür erscheint ein Buch von mir.
Liebhaber oder Buch; Leben oder Karriere.
Man denkt nicht in solchen Alternativen.
Eine Zeit lang lassen sich Entscheidungen vielleicht zurückstellen, aber sie holen einen irgendwann ein. Dann wird dir klar, dass du deine Wahl längst getroffen hast, ohne es zu wollen.
Jetzt muss ich meine Küche Luis anvertrauen, aber nicht, um mit Paul nach Key West zu fahren, sondern um auf Promotour für dieses Buch zu gehen. Na, dann mal los, Greg Tomlin promoten. Aber Greg Tomlin im Fernsehen und Greg Tomlin als Autor haben mich nie sonderlich interessiert, ich hatte doch immer nur Koch sein wollen. Und was mache ich nun? Ich bin Moderator und Autor. Warum reicht es nicht aus, so zu kochen, dass andere Leute gern bei mir essen, und meine eigene Küche zu leiten?
Weil etwas mit dir geschieht, wenn du gefragt bist. Du kannst den Gedanken nicht ertragen, nicht mehr gefragt zu sein. Also spielst du ihr Spiel mit.
Und meine Küche und mein Schlafzimmer: wie sie um mich herum in ihre Bestandteile zerfallen, während mein Lächeln breiter und mein Herz leerer wird.
Ich liege in einem weichen Bett. Dem Bett meiner eigenen Knochen, die aufgeweicht und mit meiner Matratze verschmolzen zu sein scheinen. Ich fühle mich nackt bis auf irgendwas, das meinen Schritt bedeckt. Kay steht über mir, sie trägt diesen grau gestreiften kurzen Rock, den ich immer gemocht habe, und sonst nichts. Sie zieht den Rock hoch, und ihre Scham ist rasiert … nein, gewachst, glatt, wie bei einem Pornostar. – Du hast dich nie rasiert … nicht mal, als ich dich drum gebeten hab, krächze ich, aber sie legt ihren Finger an den Mund und sagt: – Shhh … Geheimnisse … Dann beugt sie sich über mich, und ihr langes schwarzes Haar und ihre kleinen festen Brüste kommen auf mein Gesicht zu wie eine sinnliche Flut … sie riecht sauber und warm in der Sonne …
Ich höre Geräusche und mache blinzelnd die Augen auf; goldenes Licht blendet mich.
Ich liege auf dem Gehweg, wo ich geschlafen habe wie ein völlig abgefüllt weggepennter Alki. Ich schaffe es, mich hochzustemmen. Vielleicht war es der Jetlag, vielleicht die Hitze. Noch wahrscheinlicher liegt es daran, dass der Alk-Entzug endlich durchschlägt, oder alles zusammen. Vielleicht kann ich hier drüben nicht den ganzen Dreck
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