Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
vornehmere Variante von Bürgermeister Quimby aus Die Simpsons .
– Schreiben Sie einfach für Danny, sage ich.
– Wow, sagt er, – das klingt verdammt skaddisch. Edinboro, was?
Mein Akzent bestrickt den alten Spinatstecher, und nachdem ich seine obligatorische peinliche Verkörperung des urigen Schotten über mich habe ergehen lassen, beschließen wir, etwas trinken zu gehen. Er bittet mich, ihn eine Sekunde zu entschuldigen, während er sich eben mit dem Typ kurzschließt, der das Event eingefädelt hat. Ich stöbere ein wenig in den Büchern, blättere in der Autobiographie von Jackie Chan. Dann kommt der Arschgourmet rüber und sagt: – Wie steht’s nun mit unserem Drink?
Ich nicke und folge ihm zum Ausgang. Der Eventheini winkt uns zu, ebenso ein anderer Angestellter des Buchladens, ein affektiertes Frettchen erster Güte, und zieht mir beleidigt eine Schnute, als hätte ich gerade seinen Liebsten entführt. Tomlin lächelt und gestikuliert im Weggehen zurück, sagt aber im Flüsterton: – Der Mann ist vielleicht ein serviles Arschloch!
Als wir die Van Ness Avenue entlanggehen, schwirrt mir der Kopf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Mann mein Vater sein soll, aber ebenso wenig, dass er es nicht ist.
Seit Monaten habe ich jetzt den Tod um mich herum gespürt, mich von ihm eingekreist gefühlt. Ich fürchte, ich werde wie Moira Ormond und die ganzen anderen Mädchen in unserer Klasse, die ich so verabscheut habe. Die Goth-Mädchen, die zu viel Silvia Plath gelesen und zu viel Nick Cave gehört und zu viele schwarze Klamotten getragen haben. Sie waren meine Feindinnen, aber ich frage mich, wie ihr Leben jetzt wohl aussieht. War es nur pubertärer Weltschmerz, oder haben sie schon damals von alldem gewusst, was ich gerade erst kennen lernen muss: dem ganzen Tod und Verfall? Einige Kids werden sicherlich als Heranwachsende Verlusterlebnisse haben, die nicht spurlos an ihnen vorübergehen. Ich wünschte, ich hätte mir die Mühe gemacht, es herauszufinden, ehe ich so abweisend zu ihnen war.
Beim Gedanken an Moira, an die seltsame Schönheit in ihren leuchtenden Augen, die unerschütterliche Entschlossenheit, mit der sie uns ignorierte, wenn wir sie malträtierten, überkommt mich eine scheußliche Beklommenheit, die sich von meinem Magen in die Wirbelsäule fortsetzt und sich meinen Rücken hoch ausbreitet wie ein Ausschlag. Ich verspüre das Bedürfnis, Kontakt mit ihr aufzunehmen, mich zu entschuldigen und ihr zu sagen, dass ich jetzt verstehe, aber sie würde mich wahrscheinlich nur verständnislos anglotzen oder mir ins Gesicht lachen. Und ich hätte es nicht besser verdient.
Zwei Träger stehen am Krankenhauseingang und rauchen. Ein älterer, vierschrötiger Kerl und ein jüngerer, dünner. Als ich mich nähere, lächeln sie breit, aber meine Traurigkeit scheint sich auf sie zu übertragen, und ihre Gesichter werden ernst. Ich verbreite die Seuche der Hoffnungslosigkeit. Elend ist ansteckend, und mir graut davor, meinen Bruder zu sehen.
Als ich gestern vorbeikam, dachte ich, er würde nie wieder aufwachen, nicht mit den ganzen Schläuchen, die in ihn rein-und aus ihm rausgingen, das Gesicht total verwachsen unter dem Heftpflaster und dem monströsen Beatmungsschlauch, der aus ihm hervorbrach wie ein Parasit, der sich an die Oberfläche arbeitet, um sich zu reicheren Nahrungsgründen aufzumachen.
Das Klicken meiner Schuhe klingt fast obszön auf dem Boden der Station, die so still ist wie ein Leichenschauhaus. Als Erstes sehe ich erleichtert, dass mein Bruder noch am Leben ist. Und es geht ihm offensichtlich besser; der Tod scheint seinen Griff ein wenig gelockert zu haben. Als ich an sein Bett trete, sehe ich, dass er die Augen geöffnet hat. Zuerst denke ich, meine würden mich trügen, aber nein, er blickt mich direkt an, fast ein bisschen verschwörerisch, listig. Er steckt immer noch voller Schläuche und kann nicht sprechen, weil die Maske auf seinem Gesicht festgeklebt ist, aber er zwinkert mir zu, und seine Augen sind voller Kraft, Hoffnung und einer Lebendigkeit, die ich lange nicht mehr an ihm gesehen habe. Ich greife nach seiner Hand unter der Decke und drücke sie. Er erwidert den Händedruck. Er ist stark, und vielleicht mache ich mir ja etwas vor, aber das ist nicht der Griff von jemandem, der im Sterben liegt! Jetzt lächle ich und bemerke die Tränen in meinen Augen erst, als sie mir übers Gesicht rollen. Ich grinse ihn an, dann räuspere ich mich und sage: – Hallo, Brian.
Weitere Kostenlose Bücher