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Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Titel: Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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wo es warm war, etwa in der sogenannten »Neuen Welt«. Dann sah er einen gesunden, braun gebrannten Mann vor sich, grau meliertes Haar vielleicht, dazu eine Familie mit bronzefarbenen Gliedmaßen, jugendlich und blond. Sie würde ihn in ihre Mitte aufnehmen, ein Akt der Wiedergutmachung, der seinem Leben Sinn gäbe.
    Kann man vermissen, was man nie gehabt hat?
    Letzten Winter war er pleite gewesen und versuchsweise mal zu Haus und nüchtern geblieben. Er hatte rumgesessen, Leonard Cohen gehört, sich mit der Philosophie Schopenhauers vertraut gemacht und skandinavische Lyrik gelesen, die ihm ausgemacht depressiv vorkam, Ausgeburt der quälend langen Winternächte. Sigbjørn Obstfelder, Vertreter der norwegischen Moderne vom Ende des 19. Jahrhunderts, gefiel ihm mit seinen grandiosen morbid-dekadenten Versen besonders gut. Skinners Lieblingsstelle war:
    Und der frohe Tag, er geht mit Gesang,
    und der Tod, er sät in der Nacht so lang.
    Der Tod, er sät.
    Manchmal meinte er es an den Gesichtern der alten Knaben in den Pubs von Leith ablesen zu können: Jeder Tropfen Alkohol schien den Sensenmann einen Schritt näher zu bringen und nährte zugleich Träume von Unsterblichkeit.
    Aber welch süße Träume!
    Ihm fiel wieder ein, wie er einmal seine Freundin am Sonntagnachmittag mit in den Pub geschleift hatte, obwohl sie viel lieber mit ihm herumliegen und fernsehen wollte.
    Skinner musste jedoch seinen Kater von Freitagabend und Samstag wegtrinken, darum zerrte er sie praktisch zur Tür raus und beförderte sie den Leith Walk rauf zu Robbies, wo ein paar seiner Kumpels tranken. Dennoch hatte Kay, die einzige Frau, sich dazugesetzt, lächelnd und klaglos, geduldet oder ignoriert von jenen wahnwitzig-wunderbaren Männern, die nichts taten als trinken, trinken, trinken. Es war, als hätten die blutunterlaufenen Augen einiger noch nie eine Frau gesehen, andere mindestens schon eine mehr, als ihnen lieb war. Kay störte sich nicht daran; sie war einfach glücklich, etwas mit dem Jungen zu unternehmen, den sie liebte, egal, wo sie hingingen. Allerdings konnte sie nicht einfach mittrinken. Sie musste auf ihr Gewicht achten, sich fit halten, um tanzen zu können. Sie sagte immer: Du verstehst mich nicht, ich muss mich fit halten. Und er: Aber du bist doch schon so fit, Süße.
    Skinner war mit jedem Bier lauter und rechthaberischer geworden. Er stritt sich mit seinem Freund Gary Traynor, einem drahtigen jungen Mann mit kurz geschnittenem, blondem Haar und einem herben aber spitzbübischen Gesicht.
    – Heute ham die doch keinen anständigen Mob mehr. Wie viel Mann kriegen die schon zusammen?
    Traynor zuckte die Achseln, den Ansatz eines Grinsens im Gesicht, und nuckelte an seinem Bier. Alex Shevlane, ein Muckibudentyp mit einem Kopf wie ein Dildo, der aussah, als übertriebe er es mit den Gewichten, kontrollierte verstohlen seinen Bizeps im Wandspiegel, als er die Bierflasche zum Mund führte. – Letztes Mal, als wir da warn, sind die Fotzen gar nicht gekommen. Totale Zeitverschwendung, fauchte er.
    – Davon fängst du jedes Mal an, grinste Traynor und klopfte Shevlane herzlich auf den breiten Rücken. – Vergiss es. Oder willste die Fotzen auf Schmerzensgeld verklagen? Wegen entgangener Lebensfreude, weil sie dir dein Wochenende versaut ham, lachte er und deutete mit dem Kopf auf einen gut gekleideten, durchtrieben aussehenden jungen Mann mit verschlagenem Blick, der alleine an der Theke trank. – Dessie Kinghorn, der ist dein Mann!
    Skinner drehte sich um und erblickte den einsam dastehenden Des Kinghorn, der ihn mit kalten, bohrenden Augen ansah. Skinner stand auf und ging zu ihm hin, während Traynors Gesicht schadenfroh in die Breite ging.
    – Dessie, wie sieht’s aus, alter Junge?
    Kinghorn musterte ihn, sah sich Skinners Jacke von Aquascutum und die neuen Nike-Turnschuhe an. Nickte bedächtig, abschätzend. – Neu eingekleidet?
    Drei Jahre und die Fotze ist immer noch pissig, dachte Skinner. – Aye … willste n Bier, Alter? Er nickte Richtung Theke.
    – Nee, lass mal, ich muss los, sagte Kinghorn, trank sein Glas aus, nickte brüsk und marschierte zum Ausgang.
    Als er durch die Tür raus auf die Straße trat, schaute Traynor zu Skinner hinüber, schürzte die Lippen und verdrehte die Augen. Shevlands Grinsen spiegelte das Hai-Motiv auf seinem schwarzweiß gestreiften Pullover. Skinner zuckte die Achseln und hob bittend seine leeren Handflächen. Kay verfolgte das alles und versuchte zu begreifen, was vor sich

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