Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
Eindruck hinterlassen. Es war wichtig, einen guten Start hinzulegen. Sein Dad hatte immer so sehr auf Pünktlichkeit gepocht, dass es für Brian Kibby zur Obsession geworden war. Es war wohl so ein Lokführerding, dachte er.
Der alte Arthur wirkte ein wenig verärgert, dass der junge Mann sofort nach dem Kauf der Lok gegangen und nicht noch zu einen Plausch geblieben war wie sonst. Die jungen Leute haben es immer so eilig, dachte er mit gewisser Enttäuschung, denn von Brian Kibby hatte er bisher geglaubt, dass er anders sei.
Den Karton unterm Arm, sprintete Kibby über die Straße. Nein, er durfte sich nicht verspäten, sagte er sich immer wieder wie in einem erregten Mantra. Heute Abend würde er ins Krankenhaus gehen, und da musste er seinem Dad gerade in die Augen sehen und erzählen können, an seinem ersten Tag sei alles gut gelaufen. Die Uhr an der Tron Kirk verriet ihm, dass er noch ein wenig Zeit hatte, und er begann sich etwas zu entspannen und wieder zu Puste zu kommen.
Vor den City Chambers fanden größere Straßenarbeiten statt. Ständig rissen sie irgendwo auf der Royal Mile das Kopfsteinpflaster auf, überlegte Kibby. Dann erkannte er einen der Arbeiter.
Es war McGrillen, sein alter Peiniger von der Schule, der in einer ärmellose Steppweste einen großen Presslufthammer bediente. Durch die Vibrationen sah man das Spiel der kräftigen Muskeln in seinen Armen. Kibby musste an seine eigenen, mickrigen Bizepse denken, und wie lächerlich es gewesen war, als sein Dad ihm einmal gesagt hatte: – Wenn dir irgendwer in der Schule blöd kommt, gib ihm hiermit, und dabei zur Verdeutlichung Brians schwächliche Faust hochgehalten hatte.
Brian Kibbys Finger krampften sich fester um sein Päckchen.
Als McGrillen aufsah und ihn allmählich erkannte, fühlte er wieder die vertraute alte Angst in sich aufsteigen, die der Anblick seines alten Widersachers in ihm auslöste. Doch während er McGrillen so betrachtete, schien sie sich in eine andere, unbestimmtere Emotion zu verwandeln. Die Verachtung ihm gegenüber flackerte immer noch in den Augen seines alten Plagegeistes, doch diesmal stand Kibby im Anzug vor ihm, während McGrillen Arbeitsklamotten trug, und irgendein Restbestand repressiver bürgerlicher Wertvorstellungen in dessen Seelenlandschaft fühlte sich deklassiert. Und Kibby sah es; er sah, wie vor McGrillens innerem Auge die eigene Zukunft aufzog – beim Aufreißen von Straßen –, während er, Brian Kibby, in Anzug und Krawatte dastand, ein Mann mit Vollmachten und Pflichten, ein städtischer Beamter!
Kibby konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, nach all den Demütigungen auf dem Schulhof, nach den Jahren, in denen er auf dem Weg zum Bäcker oder zur Frittenbude die Straßenseite wechseln musste, hatte er sich nun eine kleine Rache, ein wenig Genugtuung verdient. Dieses kleine, selbstzufriedene Lächeln, es musste dem armen McGrillen wie ein Pflock ins Herz fahren!, dachte er, während er leichtfüßig über den Vorplatz sprang, den Blick sofort wieder abwandte und eine gesucht gleichgültige, geschäftsmäßige Miene aufsetzte, wie einer, der geglaubt hatte, in McGrillen jemanden wiederzuerkennen, was selbstredend ein Irrtum gewesen war!
Von der imposanten Eingangshalle ging Kibby ein mahagonigetäfeltes Treppenhaus hinauf zu den Fahrstühlen im ersten Stock. Als er den Aufzug betrat, sah er einen Mann im Anzug in seinem Alter, eine Idee älter vielleicht. Kibby fand, der Mann sah cool aus, der Anzug wirkte teuer. Und der Mann lächelte und nickte ihm zu, ihm , Brian Kibby! Aber warum auch nicht? Jetzt stellte er etwas dar, einen Mitarbeiter der Stadtverwaltung, nicht so ein ungelernter Malocher wie McGrillen.
Leute wie der da würden Existenzen wie Andrew McGrillen nicht mal grüßen!
Dann bemerkte er, dass neben dem Mann noch ein Mädchen stand, und spürte, wie seine Hormone in Sturzbächen ausgeschüttet wurden. Auch sie lächelte ihm zu, ehe sie ein Gespräch mit dem anderen jungen Mann anfing. Wow, dachte Kibby und sah sich satt an ihrem hellbraunen Haar, ihren flinken, großen braunen Augen und vollen Lippen. Was für eine Zuckerschnecke, hechelte er still für sich, und plötzlich durchrauschte ihn ein dermaßener Ekstase-Flash, dass er sekundenlang beinahe den Karton unter seinem Arm vergaß.
Im nächsten Stock stiegen zwei Männer in blauen Overalls zu, und plötzlich erfüllte ein brunziger, sich rasch ausbreitender Pesthauch die enge Kabine, in die sie gequetscht
Weitere Kostenlose Bücher