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Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Titel: Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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Schlaf nie dazu aus.
    Was bin ich? Ein Geselligkeitstrinker? Aye, aber mehr als das. Ein Exzesstrinker? Auf jeden Fall, wenn ich nicht gerade in Gesell schaft trinke oder ans Trinken denke. Ein Scheißalkoholiker. Aye, genau das bin ich.
    Ich bin ein Alki. Ich bin kaum noch mal nüchtern, dieser Zustand ist zwischen betrunken und verkatert irgendwo auf der Strecke geblieben. Verkatert sein heißt nicht, nüchtern zu sein. Verkatert sein ist die Hölle.
    Selbstquälerisch zog Skinner die Bilanz seines Lebens und fand zu einigen grundlegenden Fragen, die schon seit einiger Zeit so an ihm fraßen, dass er beinahe aktiv geworden wäre. Erstens: Er hatte nie erfahren, wer sein Vater war. Seine Mutter weigerte sich, mit ihm darüber zu reden. Das Einzige, was er besaß, war der dürftige, aber mehrfach gekommene Hinweis, nun auch noch durch eine seltsame Intuition genährt, dass sein Vater Koch gewesen sein könnte.
    Konnte man vermissen, was man nie gehabt hatte?
    Ja. Konnte man. Ich hab die andern doch mit ihren Dads beim Fußball gesehen. Mit ihren großen, stolzen Vätern. Angespannt, ernsthaft, Ross Kinghorn mit seinem kleinen Dessie, »Wie viele machst du heute rein, mein Junge? Wie viele?« Bobby Traynor mit seinem Gary mit den vielen Zahnlücken; wie sein Sohn immer ein Scherzbold. Mein altes Mädchen hat sich ja redlich Mühe gegeben, hat kettenrauchend am Spielfeldrand gestanden und so getan, als würde das Spiel sie interessieren. Aber irgendwas hatte gefehlt. Selbst Big Rab hatte gewusst, wo sein Vater steckt, auch wenn es meistens der Knast in Saughton war.
    Weil ihm sein Vater fehlte, folgerte Skinner, fehlten ihm einige grundsätzliche Informationen über sein Leben. Woher stammte er? Was war sein genetisches und kulturelles Erbe? Hatte ihm ein grausames Schicksal den Alkoholismus in die DNA geschrieben? Ist er nur deprimiert, weil ihm die Vater-Sohn-Beziehung fehlt? Und wird alles gut, wenn er erst mal seinen Vater findet?
    Wenn ich meinen Vater, wenn ich den verdammten Koch finde, dann kann ich ja sehen, ob er ein Säufer ist, ob ich das von ihm geerbt hab.
    Scheiß auf meine Mutter, ich find ihn auch alleine! Der werd ich’s zeigen … Ich werd’s ihnen allen zeigen! Die alte Schachtel hat ne Zeit lang gekellnert, Jahre her, hat sie mir erzählt. Wo zum Henker war das noch?
    Es kam Skinner ganz allmählich, wie eine große Welle, die aus seinem Inneren hochzusteigen schien. Er starrte auf den glänzenden Schutzumschlag des Buchs auf seinem Couchtisch: Die Bettgeschichten der Meisterköche von Alan De Fretais. Er nahm es auf und las mit rasendem Herzen einen Absatz.
    Gregory William Tomlin ist nicht nur einer meiner Lieblingsköche, die Aufrichtigkeit zwingt mich auch zu gestehen, dass er ein enger Freund von mir ist. Ich begegnete Greg erstmals 1978 in – ausgerechnet – der berüchtigten Archangel Tavern in Edinburgh. Wie, werden Sie fragen, landet ein amerikanischer Spitzenkoch und einer der Begründer der kulinarischen Erneuerung Kaliforniens gerade in einem solchen Schuppen?
    Die Archangel Tavern ist auch heute noch eine angesehene Adresse für flüssige wie feste Nahrung in Edinburgh. Damals unterstand die Küche dem legendären Bonvivant Sandy Cunningham-Blyth. Der alte Sandy mochte leidenschaftliche junge Köche. Er stellte nicht nur meine Wenigkeit ein, auch einen jungen amerikanischen Rucksacktouristen, der auf »Europatournee« war und während der Blütezeit des Punkrocks auf dem Wege nach Frankreich in Edinburgh mit leeren Taschen hängengeblieben war.
    Greg und ich teilten eine ähnliche Weltanschauung und schließlich auch Kassetten, Getränke, Geliebte und hin und wieder sogar Rezepte miteinander!
    Skinner spürte, wie ihm mit jedem Herzschlag der Schweiß aus den Poren trat, als er das Buch zurück auf den Couchtisch legte.
    Greg Tomlin. Sandy Cunningham-Blyth. Alan Fotzengesicht De Fretais.
    Die Archangel Tavern.
    Dougie Winchester saß mit einer gequälten Miene an seinem Computer, die schnell zu Ausdruckslosigkeit wechselte, als Skinner den Kopf zur Tür hereinsteckte. Hin und wieder war sein Büro abgeschlossen, und wenn man ihn darauf ansprach, murmelte Winchester mit rotem Gesicht, dass er nur so die erforderliche Ruhe fände, um sich auf das wichtige Projekt konzentrieren zu können, das er in Arbeit habe.
    Winchester trug den Rang eines Projektleiters für Sonderaufgaben (Umwelthygiene), obgleich im Amt derzeit keinerlei Sonderaufgaben anstanden. Nach altbekannter

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