Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
wurde.
Kibbys Herz wurde bleischwer, eine weitere Traglast für seinen Körper, und schien ein paar Zentimeter in seiner Brust abzusacken. Es stimmte einfach nichts mehr. Er verstand es nicht. Jeden Morgen wachte er auf und fühlte sich so furchtbar. Und in was für einer Verfassung er jetzt war …
Außerdem hatte Ian sich nicht gemeldet. Auf der Rückfahrt im Zug war er so komisch gewesen, nachdem Kibby ganz grün und blau aufgewacht war, weil ihm irgendwas zugestoßen war, das, wie er seitdem ängstlich postuliert hatte, alles Mögliche sein konnte, von einer schweren allergischen Reaktion bis hin zu der bizarren Möglichkeit, dass er schlafgewandelt und irgendeine Treppe heruntergefallen war. Seine Mutter glaubte ihm auch nicht, genau wie Ian. Sie glaubte, er sei verprügelt worden. Sie hatte ihn nicht mal zu den Hyp Hykers gehen lassen wollen!
Während er zusah, wie Lucys Rückenansicht immer kleiner wurde und Heatherhill neben ihr wild mit den Armen ruderte, dachte Kibby an ihre zarten, spitzen Gesichtszüge, akzentuiert von dieser Brille mit dem dünnen Goldrand, die sie mitunter anstelle ihrer Kontaktlinsen trug.
Er malte sich oft aus, wie es wäre, Lucys fester Freund zu sein. Bei diesen Geschichtchen fand er in häuslichen Alltagsszenen fast ebenso viel Befriedigung wie in ausgewachsenen Masturbationsszenarien. In einer seiner Lieblingsphantasien saß Lucy neben ihm im Auto, Dads altem Capri, auf dem Beifahrersitz, und Joyce und Caroline saßen hinten.
Mum würde Lucy lieben, aber Caroline und sie wären richtig gute Freundinnen, wie Schwestern, aber nachts wär ich dann al lein mit Lucy in unserer eigenen Wohnung, wir würden uns küssen und … aber jetzt genug damit!
Kibby riss sich aus seinem noch unausgereiften Tagtraum und starrte in den dunkler werdenden Himmel.
Gott, ich bereue es, dass ich so viel an mir herumspiele, denn ich weiß, das soll man nicht. Wenn ich eine Freundin hätte, würde ich sie gut behandeln, und es gäbe gar keinen Anlass …
Kibby rang erneut um Atem, als er nach vorne blickte und sah, wie die anderen am Horizont immer kleiner wurden. Doch irgendjemand war stehen geblieben. Er stolperte auf seinen schmerzenden Beinen vorwärts. Es war Lucy! Ihr Alabastergesicht schien sich zu öffnen, als er mit unsicheren Schritten näher kam. Ein Schatten von Besorgnis – oder war es wieder Mitleid – schien sich über ihr sprödes Lächeln zu legen, während Kibby spürte, wie ihm die Beine versagten. Entweder wurden sie mit jedem Schritt kürzer, oder sie versanken im Sumpf. Nein, der durchweichte Boden raste auf ihn zu, und das Letzte, was er vor dem Aufschlag sah, waren Lucys Lippen, die ein perfektes »O« formten.
Er stand gut gelaunt an der Bushaltestelle, wartete, dass eins der rotbraunen Fahrzeuge der Lothian ihn den Leith Walk hoch mitnahm, und unterhielt derweil die andern Wartenden mit fröhlichem Geplauder. Die Sonntagsblätter hatten den Krawall an der Easter Road bereits kurz gemeldet, aber die Montagsausgaben waren nun voll davon. Er hatte es schon in den Daily Record geschafft, wo er als Daniel Skinner, städtischer Beamter und unschuldiges Opfer der samstäglichen Ausschreitungen, dargestellt wurde.
Ein Bus der Linie 19 hielt, und er sah Mandy, die Auszubildende im Laden seiner Mutter, aussteigen, die ihn ordentlich überrascht ansah. – Danny! Geht’s dir gut? Ich mein … es stand doch in der Zeitung, du hättest ernsthafte Kopfverletzungen!
– Ich hatte schon immer nen Dickschädel, lachte er und fügte hinzu, – nee, war ein Glück, dass es nur mein Kopf gewesen ist. Er klopfte sich mit den Fingerknöcheln an den Schädel, ziemlich hart, und fragte sich, ob Kibby das jetzt wohl zu spüren bekam. – Die Zeitungen übertreiben doch immer, steht doch nur Mist drin.
Im Amt sammelte Skinner Schleimerpunkte, weil er in zuversichtlicher Verfassung am Arbeitsplatz erschien und mit keinem Wort über seine Blessuren klagte – und seltsamerweise sah man seinem Gesicht auch gar nichts an. Er hinkte zwar leicht, doch es war Dougie Winchester, dem aufgefallen war, dass sich das nach ein paar Bierchen in der Mittagspause wie durch ein Wunder gelegt hatte.
Brian Kibby hingegen war nicht aufgetaucht, er hatte sich krankgemeldet. Das war ausgesprochen ungewöhnlich für ihn.
Beverly Skinners prüfende Finger arbeiteten den Conditioner in Jessie Thomsons stahlwolleartiges Haar. Die Produktinformation auf der Flasche sprach von angeblich kräftigenden »Fruchtölen«,
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