Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
was ich täte … Ich würde mich ganz einfach an Herrn de Saffré wenden.«
    Renée lächelte gezwungen.
    »Das wäre wohl wenig schicklich«, erwiderte sie, »wenn er, wie Sie behaupten, so verliebt in mich ist.«
    Die Alte sah sie fest an; dann zerfloß ihr weichliches Gesicht allmählich in einem gerührten Mitleidslächeln.
    »Armes Kindchen«, murmelte sie, »Sie haben geweint, geben Sie es nur zu, ich sehe es ja an Ihren Augen. Seien Sie doch mutig, nehmen Sie das Leben so, wie es ist … Nun, lassen Sie mich die bewußte Kleinigkeit in Ordnung bringen.«
    Renée stand auf, wobei sie ihre Finger so krampfhaft ineinanderschlang, daß die Handschuhe krachten. Und von einem schweren inneren Kampf geschüttelt, blieb sie stehen. Sie öffnete gerade die Lippen, vielleicht um einzuwilligen, als ein leises Klingelzeichen aus dem Nebenzimmer herüberklang. Schnell ging Frau Sidonie hinaus. Durch die halboffene Tür sah man eine Doppelreihe von Klavieren. Dann vernahm die junge Frau Männerschritte und das gedämpfte Geräusch einer leise geführten Unterhaltung. Ganz mechanisch näherte sie sich der Wand, um den gelblichen Flecken, den die Matratzen an der Tapete hinterlassen hatten, genauer zu betrachten. Dieser Flecken beunruhigte sie, störte sie. Sie vergaß alles – Maxime, die fünfzigtausend Francs, Herrn de Saffré – und trat nachdenklich an das Bett: es paßte wirklich viel besser an seinen früheren Platz; es gab Frauen, die absolut keinen Geschmack hatten. Sicher hatte man, wenn man hier lag, das Licht in den Augen. Und nun stieg in ihrer Erinnerung ganz dunkel das Bild jenes Unbekannten vom Quai SaintPaul auf, ihr Roman in zwei Begegnungen, die Zufallsliebe, die sie hier genossen, als das Bett noch an der anderen Stelle stand. Nichts war davon übriggeblieben als die abgenutzte Tapete. Jetzt flößte ihr das Zimmer Unbehagen ein, und das fortgesetzte Gemurmel von Stimmen im Nebenraum machte sie ungeduldig.
    Als Frau Sidonie zurückkam, öffnete und schloß sie behutsam die Tür und bedeutete Renée durch wiederholte Zeichen mit den Fingern, sie solle ganz leise sprechen. Dann flüsterte sie ihr ins Ohr: »Denken Sie nur, wir haben Glück, Herr de Saffré ist da.«
    »Sie haben ihm doch hoffentlich nicht gesagt, daß ich hier bin?« fragte die junge Frau beunruhigt.
    Die Kupplerin schien überrascht und erwiderte gänzlich unbefangen: »Aber gewiß doch! Er wartet nur darauf, daß ich ihn hereinrufe. Selbstverständlich habe ich ihm nichts von den fünfzigtausend Francs erzählt …«
    Renée wurde ganz blaß und bäumte sich wie unter einem Peitschenhieb. Ein ungeheurer Stolz regte sich in ihr. Der Schall der Männerschritte nebenan, den sie jetzt als noch roher empfand, brachte sie furchtbar auf.
    »Ich gehe!« sagte sie kurz. »Öffnen Sie mir die Tür.«
    Frau Sidonie versuchte zu lächeln.
    »Seien Sie nicht kindisch … Ich kann doch jetzt den Jungen nicht auf dem Hals behalten, nachdem ich ihm gesagt habe, daß Sie hier sind … Sie bringen mich wirklich in eine höchst unangenehme Lage …«
    Doch die junge Frau war bereits die kleine Treppe hinuntergeeilt. Vor der verschlossenen Ladentür angekommen, wiederholte sie: »Machen Sie mir auf, machen Sie mir auf!«
    Die Spitzenhändlerin hatte die Gewohnheit, den abgezogenen Messingknopf in die Tasche zu stecken. Sie wollte noch mit Renée unterhandeln. Schließlich wurde sie selber vom Zorn gepackt; ihre grauen Augen verrieten die störrische Schroffheit ihrer Natur, und sie rief: »Aber was soll ich denn dem Mann eigentlich sagen?«
    »Daß ich nicht käuflich bin«, antwortete Renée, die schon mit einem Fuß auf der Straße stand.
    Frau Sidonie schlug die Tür heftig zu, und Renée glaubte sie dabei murmeln zu hören: »Mach, daß du fortkommst, du Närrin! Das wirst du mir bezahlen!«
    Bei Gott, dachte sie, als sie wieder in ihr Kupee stieg, da ist mir mein Mann doch noch lieber.
    Sie fuhr geradewegs nach Hause. Am Abend ließ sie Maxime sagen, er solle nicht kommen, sie fühle sich nicht wohl und brauche Ruhe. Und als sie ihm am folgenden Tag die fünfzehntausend Francs für Sylvias Juwelier einhändigte, wurde sie durch seine Überraschung und seine Fragen verlegen. Ihr Mann, sagte sie, habe ein gutes Geschäft gemacht. Von diesem Tag an wurde sie launenhafter, änderte oft den Zeitpunkt für die mit dem jungen Mann verabredeten Zusammenkünfte, paßte ihn sogar manchmal im Gewächshaus ab, um ihn wieder wegzuschicken. Ihn fochten diese

Weitere Kostenlose Bücher