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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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erzählten von den ausgestandenen Aufregungen.
    »Ich wäre beinahe herausgeplatzt«, sagte die Marquise, »als ich von weitem die Riesennase des Herrn ToutinLaroche sah, der mich anstarrte!«
    »Ich glaube, ich habe einen steifen Hals bekommen«, warf die blonde Suzanne schmachtend ein. »Nein wirklich, wenn es auch nur eine Minute länger gedauert hätte, würde ich meinen Kopf wieder in eine natürliche Lage gebracht haben, so weh tut mir das Genick.«.
    Aus der Fensternische, in der Herr Hupel de la Noue Mignon und Charrier gedrängt hatte, warf er besorgte Blicke nach der Gruppe, die sich um die beiden jungen Frauen bildete; er fürchtete, daß man sich dort über ihn lustig mache. Nach und nach kamen nun auch die übrigen Nymphen; alle hatten sie ihre Edelsteinkostüme wieder angelegt; die Gräfin Vanska, die Koralle, erzielte einen ungeheuren Erfolg, als man die sinnreichen Einzelheiten ihres Gewandes aus der Nähe betrachten konnte. Dann trat Maxime ein, korrekt im schwarzen Frack, ein Lächeln auf den Lippen, und eine wahre Flut von Frauen umlagerte ihn, nahm ihn in die Mitte, neckte ihn wegen seiner Blumenrolle, seiner Leidenschaft, sich im Spiegel zu bewundern; ohne jede Befangenheit, sichtlich entzückt von seiner Person, lächelte er weiter, ging auf die Neckereien ein, gestand, daß er von sich bezaubert und von den Frauen hinreichend geheilt sei, um sich selber ihnen vorzuziehen. Man lachte immer lauter, der Kreis wurde größer, nahm schließlich die ganze Mitte des Saals ein, und in diesem Meer von weißen Schultern, diesem Durcheinander bunter Gewänder behielt der junge Mann das Fluidum seiner widernatürlichen Liebe, seine blonde, lasterhafte Blumenschönheit.
    Als dann endlich Renée wieder herunterkam, geriet die Unterhaltung fast ins Stocken. Sie trug ein neues Kostüm von so eigenartiger und zugleich kühner. Anmut, daß Herren wie Damen, die doch an die Überspanntheiten der jungen Frau gewöhnt waren, einen leisen Ruf der Überraschung nicht unterdrücken konnten. Sie kam als TahitiInsulanerin. Diese Tracht ist offenbar höchst primitiv: ein zartfarbenes Trikot, das ihr von den Zehenspitzen bis zum Busen reichte und Schultern und Arme nackt ließ, und über diesem Trikot ein einfaches kurzes Musselinjäckchen mit zwei Volants, die notwendig die Hüften bedeckten. Im Haar ein Feldblumenkranz; um Fußknöchel und Handgelenke goldene Reifen. Das war alles. Sie war nackt. Unter dem weißen Jäckchen schmiegte sich das Trikot elastisch dem Körper an; die reine Linie dieser Nacktheit von den Knien bis zur Achselhöhle wurde zwar von den Volants leicht unterbrochen, trat aber bei der geringsten Bewegung deutlich durch das Spitzengewebe hindurch hervor. Sie war eine bezaubernde Wilde, ein wollüstiges Barbarenkind, kaum verhüllt von einer weißen Dunstwolke, einem Seenebelstreif, in dem sich ihre ganze Gestalt erraten ließ.
    Mit rosigen Wangen und lebhaften Schritten ging Renée durch den Saal. Céleste hatte beim Ankleiden das erste Trikot zerrissen; glücklicherweise hatte die junge Frau diese Möglichkeit vorausgesehen und dafür Vorsorge getroffen. Durch das zerrissene Trikot hatte sie sich verspätet. Aus ihrem Erfolg schien sie sich wenig zu machen. Die Hände brannten ihr, ihre Augen glänzten vor Fieber. Dennoch lächelte sie und antwortete den Herren, die sie anhielten, mit ein paar Worten auf ihre Schmeicheleien über die Keuschheit ihrer Stellungen in den lebenden Bildern. Sie ließ ein Kielwasser von schwarzen Fräcken hinter sich, deren Besitzer ebenso überrascht wie entzückt von der Durchsichtigkeit des Musselinjäckchens waren. Als sie zum Kreis der Damen kam, die Maxime umringten, erklangen Ausrufe der Bewunderung, und die Marquise, die sie von Kopf bis Fuß mit zärtlichen Blicken musterte, sagte halblaut: »Sie ist doch entzückend gebaut!«
    Frau Michelin, deren Kostüm als orientalische Tänzerin neben diesem einfachen Gewand schrecklich schwer wirkte, verkniff die Lippen, während ihr Frau Sidonie, die in ihrem schwarzen Zauberinnenkleid ganz verhutzelt aussah, ins Ohr flüsterte: »Das ist wohl das Äußerste an Unanständigkeit, nicht wahr, meine Schöne?«
    »Ja, wirklich!« sagte schließlich die hübsche Brünette. »Mein Mann würde sehr böse werden, wenn ich mich dermaßen ausziehen wollte!«
    »Und das mit vollem Recht«, schloß die Kupplerin.
    Die Schar der ernsten Männer war nicht dieser Ansicht. Sie gerieten vielmehr in Ekstase. Herr Michelin, den seine Frau

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