Die Beute - 2
wenn wir nicht gemeinsame Sache machen. In den Tuilerien ist es noch viel schlimmer, und dort habe ich einige Routine erworben … Kümmern Sie sich um den Wein, ich sorge für Fleisch.«
Der Präfekt erspähte eine Hammelkeule, Im richtigen Augenblick streckte er zwischen zwei Schultern hindurch die Hand aus und trug die Keule gelassen davon, nachdem er sich noch rasch die Taschen mit Brötchen vollgestopft hatte. Unterdessen kamen auch die beiden Unternehmer zurück. Mignon mit einer, Charrier mit zwei Flaschen Champagner; aber sie hatten nur zwei Gläser auftreiben können; sie versicherten jedoch, das mache nichts, sie tränken gemeinsam aus einem Glas. Und dann speisten die Herren an der Ecke eines Blumentischchens hinten im Eßzimmer. Sie zogen nicht einmal die Handschuhe aus, legten die von der Keule losgelösten Scheiben aufs Brot und behielten derweil die Flaschen unter dem Arm. Stehend und mit vollem Mund unterhielten sie sich, das Kinn weit vorgeschoben, damit der Bratensaft nicht auf ihre Westen, sondern auf den Teppich tropfte.
Als Charrier mit seinem Wein früher fertig war als mit dem Essen, fragte er einen der Bedienten, ob er nicht ein Glas Champagner bekommen könne.
»Sie müssen warten, mein Herr!« antwortete voll Zorn der bestürzte Diener, der den Kopf verloren hatte und vergaß, daß er sich nicht in der Küche befand. »Es sind schon dreihundert Flaschen getrunken worden!«
Jetzt hörte man die stoßweise anschwellende Orchestermusik. Es wurde die auf öffentlichen Bällen sehr beliebte »Kußpolka« getanzt, wobei jeder Tänzer im Rhythmus der Musik seine Tänzerin küßte. Mit rotem Gesicht und ein wenig zerzaustem Haar erschien Frau d’Espanet an der Tür zum Speisesaal; mit reizender Lässigkeit zog sie ihre große Silberschleppe nach. Man machte ihr kaum Platz, sie mußte sich mit den Ellenbogen den Durchgang erkämpfen. Zögernd und mit einem Schmollmäulchen ging sie um den Tisch. Dann schritt sie geradeswegs auf Herrn Hupel de la Noue zu, der soeben seine Mahlzeit beendet hatte und sich mit einem Taschentuch den Mund wischte.
»Würden Sie wohl die Liebenswürdigkeit haben, mein Herr«, sagte sie mit einem bezaubernden Lächeln, »mir zu einem Stuhl zu verhelfen! Ich bin vergebens um den ganzen Tisch gegangen.«
Der Präfekt hatte einen Groll auf die Marquise, doch seine Artigkeit siegte sofort; er setzte sich eifrig in Bewegung, fand einen Stuhl, verschaffte Frau d’Espanet Platz und blieb hinter ihr stehen, um sie zu bedienen. Sie bat nur um ein paar Krabben mit etwas Butter und einen Fingerhut voll Champagner. Mitten zwischen den gierig schlingenden Männern aß sie mit zierlichen Bewegungen. Tisch und Stühle waren ausschließlich den Damen vorbehalten. Lediglich für den Baron Gouraud hatte man auch hier eine Ausnahme gemacht. So saß er breit vor einem Stück Pastete, deren Kruste seine Kiefer langsam zermahlten. Die Marquise eroberte sich den Präfekten aufs neue, indem sie ihm versicherte, sie werde niemals die künstlerische Erregung vergessen, die ihr die Aufführung der »Liebe des schönen Narziß und der Nymphe Echo« vermittelt habe. Sie vermochte ihm sogar in durchaus tröstlicher Weise zu erklären, warum man nicht auf ihn gewartet hatte: die Damen hätten von der Ankunft des Ministers erfahren und deshalb gedacht, es würde wenig schicklich sein, die Pause zu verlängern. Schließlich bat sie ihn, Frau Haffner zu holen, die mit Herrn Simpson, einem recht unhöflichen Menschen, wie sie sagte, tanze, der ihr äußerst mißfalle. Und als dann Suzanne gekommen war, kümmerte sie sich nicht mehr um Herrn Hupel de la Noue. Saccard, begleitet von den Herren ToutinLaroche, de Mareuil und Haffner, hatte einen der Serviertische erobert. Da der Mitteltisch besetzt war und Herr de Saffré soeben mit Frau Michelin am Arm vorbeiging, hielt er sie an und bewog die hübsche Brünette, sich ihnen anzuschließen. Vergnügt knabberte sie Gebäck und sah mit hellen Augen auf die fünf Herren neben ihr. Sie beugten sich zu ihr, berührten ihre golddurchwirkten Tänzerinnenschleier, drängten sie gegen den Serviertisch, an dem sie schließlich mit dem Rücken lehnte und mit der verliebten Fügsamkeit einer von ihren Gebietern umringten Sklavin sehr sanft, sehr schmeichlerisch aus allen Händen Petits fours entgegennahm. Am anderen Ende des Saals vertilgte unterdessen Herr Michelin ganz für sich allein eine Platte Gänseleberpastete, deren er sich glücklich bemächtigt
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