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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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und neu aufzubauen!«
    Diese Bemerkung kam Saccard recht klug vor, und er begann zu glauben, daß Mignon und Charrier nur die Dummen spielten, um alle Welt zum besten zu halten. Als sich die Vorhänge wieder schlossen und das Klavier den Triumphmarsch in einem Lärm übereinanderpolternder Töne ausklingen ließ, der wie das letzte Zusammenschaufeln von Geldstücken klang, brach der Beifall los, noch lebhafter, noch anhaltender als zuvor.
    Während des zweiten Bildes war der Minister in Begleitung seines Sekretärs, des Herrn de Saffré, in der Tür zum Salon erschienen. Saccard, der seinen Bruder ungeduldig erwartet hatte, wollte ihm entgegeneilen. Dieser bedeutete ihm mit einer Handbewegung, sich nicht stören zu lassen, und trat leise zu der Gruppe der ernsten Männer. Als sich dann die Vorhänge wieder geschlossen hatten und man die Anwesenheit des Ministers bemerkte, lief ein allgemeines Geflüster durch den Salon; alle Köpfe wandten sich: der Minister erregte mindestens ebenso großes Interesse wie die Liebe des schönen Narziß und der Nymphe Echo.
    »Sie sind ein Dichter, Herr Präfekt«, sagte er lächelnd zu Herrn Hupel de la Noue. »Sie haben schon früher einmal einen Band Gedichte veröffentlicht, die ›Volubilis‹146, soviel ich mich erinnere … Die Sorgen der Verwaltung haben, wie ich sehe, Ihre Phantasie nicht verdorren lassen.«
    Der Präfekt fühlte eine spöttische Spitze in diesen schmeichelhaften Worten. Das plötzliche Erscheinen seines Vorgesetzten brachte ihn um so mehr aus der Fassung, als er bei flüchtiger Musterung seines Anzugs auf dem Rockärmel die Spur der kleinen weißen Hand entdeckte, die er nicht fortzuwischen wagte. Er verbeugte sich und stammelte ein paar Worte.
    »Wahrlich«, fuhr der Minister fort und wandte sich damit an Herrn ToutinLaroche, den Baron Gouraud und die andern Herren der Gruppe, »all das viele Geld war ein prächtiger Anblick … Wir würden große Dinge vollbringen, wenn Herr Hupel de la Noue die Münzen für uns geprägt hätte!«
    Das war dasselbe in Ministersprache, was vorher die Herren Mignon und Charrier ausgesprochen hatten. Nun begannen Herr ToutinLaroche und alle andern, dem Minister den Hof zu machen; dabei knüpften sie an seinen letzten Satz an: das Kaiserreich habe schon Wunder vollbracht; dank der hohen Weisheit der Regierung fehle es nicht an Geld; noch nie sei Frankreichs Ansehen in Europa größer gewesen … Und schließlich wurden die Herren so abgeschmackt, daß der Minister von sich aus auf ein anderes Thema überging. Mit hocherhobenem Kopf hörte er den Herren zu, die Mundwinkel leicht emporgezogen, was seinem breiten weißen, sorgfältig rasierten Gesicht einen Ausdruck von Zweifel und lächelnder Verachtung gab.
    Saccard, der die Ankündigung der Heirat von Maxime und Louise herbeiführen wollte, suchte nach einem geschickten Übergang. Er tat sehr familiär, und sein Bruder machte gute Miene dazu und erwies ihm den Dienst, sich den Anschein großer Zuneigung zu ihm zu geben. Er war ihm wirklich überlegen mit seinem klaren Blick, seiner sichtlichen Verachtung aller kleinlichen Schurkerei, mit seinen breiten Schultern, die mit einem einzigen Zucken all diese Leute über den Haufen geworfen hätten. Als endlich die Vermählung zur Sprache kam, zeigte er sich äußerst liebenswürdig und ließ durchblicken, daß das Hochzeitsgeschenk schon bereit sei; er meinte damit die Ernennung Maximes zum Auditeur im Staatsrat. Er ging sogar so weit, seinem Bruder zweimal mit der gutmütigsten Miene zu wiederholen: »Sag deinem Sohn ausdrücklich, daß ich sein Trauzeuge sein möchte.«
    Herr de Mareuil errötete vor Freude. Von allen Seiten beglückwünschte man Saccard. Herr ToutinLaroche bot sich als zweiten Zeugen an.
    Plötzlich kam man auf Ehescheidung zu sprechen. Ein Mitglied der Opposition hatte, so sagte Herr Haffner, »den traurigen Mut« gehabt, diese gesellschaftliche Schande in Schutz zu nehmen. Alle waren empört, ihr Gefühl für Anstand fand starke Worte. Herr Michelin lächelte vielsagend dem Minister zu, während Mignon und Charrier mit Erstaunen feststellten, daß der ministerielle Rockkragen ziemlich abgeschabt war.
    Die ganze Zeit über blieb Herr Hupel de la Noue befangen, er stand noch immer an den Sessel des Barons Gouraud gelehnt, der sich damit begnügt hatte, einen schweigenden Händedruck mit dem Minister zu wechseln. Der Dichter wagte nicht, seinen Platz zu verlassen. Ein unerklärliches Gefühl, die Furcht, sich

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