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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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so zur Unzeit ins Treffen geführt hatte, verging fast vor Entzücken, um Herrn ToutinLaroche und dem Baron Gouraud eine Freude zu machen, die vom Anblick Renées ganz hingerissen waren. Man beglückwünschte Saccard mit allem Nachdruck zu den vollendeten Körperformen seiner Gattin. Er verbeugte sich, zeigte sich sehr gerührt. Der Abend ließ sich gut für ihn an, und ohne eine gewisse Besorgnis, die zuweilen seine Augen verschattete, wenn er schnell einmal zu seiner Schwester hinsah, hätte man ihn für vollkommen glücklich halten können.
    »Ich muß schon sagen«, flüsterte Louise scherzend Maxime ins Ohr, mit einem Seitenblick auf Renée weisend, »so viel hat sie uns noch nie sehen lassen!« Gleich darauf verbesserte sie sich und sagte mit einem unergründlichen Lächeln: »Wenigstens mich nicht!«
    Der junge Mann betrachtete Louise mit Unruhe, doch sie lächelte weiter, keck wie ein Schuljunge, der sich über einen etwas gewagten Scherz freut.
    Jetzt begann der Ball. Auf der Bühne für die lebenden Bilder hatte man ein kleines Orchester aufgestellt, in dem die Blechinstrumente vorherrschten, und die Trompeten und Klapphörner schickten ihre hellen Klänge in den Märchenwald mit seinen blauen Bäumen. Zuerst kam eine Quadrille: »Ach, Bastien hat Stiefel an, Stiefel hat der Bastien an!«, die damals die Wonne aller Tanzlokale war. Die Damen tanzten. Polka, Walzer, Mazurka wechselten mit Quadrillen ab. Das breite Gewoge der Paare kam und ging, erfüllte die lange Galerie, wurde zum Springen unter dem anfeuernden Ton der Blechinstrumente, zum Schweben beim wiegenden Ton der Geigen. Die Kostüme, diese Flut von Frauen aus allen Ländern und Zeiten, wogten in einem Gewimmel, einem buntscheckigen Allerlei funkelnder Stoffe. Wenn der Rhythmus der Musik alle Farben durcheinandergemischt und davongetragen hatte, brachte er plötzlich bei bestimmten Bogenstrichen dieselbe Tunika aus rosa Atlas, dasselbe Leibchen aus blauem Samt neben denselben schwarzen Frack zurück. Dann trieb ein neuer Bogenstrich, ein Hörnerklang die Paare erneut an und führte sie in langer Reihe rings um den Saal, mit den schaukelnden Bewegungen eines Schiffchens, das vor einem Windstoß dahintreibt, der es vom Anker gerissen hat. Und so ging es weiter, endlos, stundenlang. Zwischen zwei Tänzen trat hier und da eine der Damen erhitzt ans Fenster, um einen Zug eiskalter Luft einzuatmen; ein Paar ruhte sich auf einer der Causeusen des kleinen dotterblumengelben Salons aus oder ging ins Gewächshaus hinunter und spazierte dort langsam durch die Wege. Unter den Schlingpflanzen der Lauben, im Dunkel des warmen Schattens, wohin nichts als die Forti der Hörner aus den Quadrillen »O weh, die kleinen Lämmchen« oder »Ich hab’ ein Bein, das sich im Tanze dreht« drangen, sah man nur den einen oder anderen Rocksaum und vernahm schmachtendes Lachen.
    Als die Tür zum Speisezimmer geöffnet wurde, das man in ein Büfett umgewandelt hatte, mit Serviertischen an den Wänden und einer langen, mit kalten Fleischgerichten beladenen Tafel in der Mitte, gab es Stoßen und Drängen. Ein großer, gut aussehender Herr, der aus Unbeholfenheit den Hut in der Hand behalten hatte, wurde so heftig an die Wand gedrückt, daß der arme Hut mit dumpfem Klagelaut zerbarst. Alles lachte. Man stürzte sich auf das Backwerk und das getrüffelte Geflügel, stieß dabei einander rücksichtslos die Ellenbogen in die Rippen. Es war eine regelrechte Plünderung, Hände trafen sich mitten in den Fleischplatten, und die Lakaien wußten nicht, wen sie zuerst bedienen sollten von dieser Bande vornehmer Leute, deren ausgestreckte Arme einzig die Angst verrieten, zu spät zu kommen und die Schüsseln leer zu finden. Ein alter Herr wurde ungehalten, weil kein Bordeaux vorhanden war und ihn der Champagner, wie er versicherte, am Schlafen hindere.
    »Langsam, meine Herren, langsam«, sagte Baptiste mit seiner tiefen Stimme. »Es ist genug da für alle.«
    Doch niemand hörte auf ihn. Der Speisesaal war voll, und immer neue Fräcke stauten sich an der Tür. Vor den Anrichtetischen standen dicht gedrängt Gruppen, die eilig aßen. Viele schlangen die Speisen hinunter, ohne etwas zu trinken, da sie kein Glas hatten erwischen können. Andere wiederum tranken, nachdem sie sich vergeblich um ein Stück Brot bemüht hatten.
    »Hören Sie«, sagte Herr Hupel de la Noue zu den Mignon und Charrier, die ihn, der Mythologie überdrüssig, zum Büfett geschleppt hatten, »wir bekommen nichts,

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