Die Beute - 2
schnitt quer durch dieses große Parallelogramm hindurch, womit eine der Befürchtungen Saccards behoben war: er hatte lange geglaubt, daß lediglich das KonzertCafé weggeschnitten werden würde. Larsonneau war daher beauftragt gewesen, mit allem Nachdruck zu betonen, daß durch den hohen Wert des KonzertCafés der Preis der angrenzenden Grundstücke mindestens auf das Fünffache steigen müsse. Er drohte bereits der Stadt damit, von einem kürzlich erlassenen Dekret Gebrauch zu machen, demzufolge die Eigentümer ermächtigt waren, nur so viel Grund und Boden herzugeben, wie für die Arbeiten im öffentlichen Interesse unbedingt nötig war.
Der Enteignungsagent empfing die Herren der Kommission. Er führte sie durch den Garten, ließ sie das KonzertCafé besichtigen und zeigte ihnen ein umfangreiches Aktenbündel. Doch die beiden Industriellen waren mit dem Arzt zusammen wieder hinausgegangen und stellten ihm noch allerlei Fragen über das »petite maison« des Grafen Savigny, das ihre Phantasie außerordentlich beschäftigte. Sie hörten ihm offenen Mundes zu, während sie alle drei neben einem Tonnenspiel standen. Und er sprach ihnen von der Pompadour152, erzählte von den Liebschaften Ludwigs XV., und Herr de Mareuil und Saccard setzten unterdessen die Untersuchung allein fort.
»So, das wäre also getan«, sagte letzterer, als er in den Garten zurückkehrte. »Wenn Sie gestatten, meine Herren, übernehme ich die Abfassung des Berichts.«
Der Fabrikant chirurgischer Instrumente hörte nicht einmal zu. Er war noch mitten in der Régence153.
»Was waren das doch trotz allem für Zeiten!« murmelte er vor sich hin.
Dann nahmen sie in der Rue de Charonne eine Droschke und fuhren davon, mit Schmutz bespritzt bis zu den Knien, aber von ihrem Spaziergang so befriedigt wie von einer Landpartie. In der Droschke wandte sich die Unterhaltung anderen Dingen zu, man sprach von Politik, fand, daß der Kaiser Großes leiste. Noch nie habe es etwas Ähnliches gegeben wie das, was sie soeben gesehen hatten. Diese breite, schnurgerade Straße würde einmal prächtig sein, wenn erst die Häuser ständen.
Saccard also verfaßte den Bericht, und die Sachverständigen bewilligten die drei Millionen. Der Spekulant war in einer verzweifelten Lage gewesen, er hätte keinen Monat länger aushalten können. Dieses Geld rettete ihn vor dem Untergang, vielleicht sogar vor dem Schwurgericht. Er leistete eine Abschlagszahlung von fünfhunderttausend Francs auf die Million, die er seinem Möbelhändler und seinem Baumeister für sein Palais am Parc Monceau schuldete. Er stopfte noch andere Löcher, stürzte sich in neue Unternehmungen und betäubte ganz Paris mit dem Klirren seiner tatsächlich vorhandenen Goldstücke, die er scheffelweise in die Fächer seines eisernen Geldschranks füllte. Einmal hatte der Goldstrom eine Quelle. Aber das war immer noch kein solides, gesichertes Vermögen, kein gleichmäßiges, ununterbrochenes Fließen. Nachdem Saccard mit heiler Haut aus der Krise hervorgegangen war, kam er sich mit den spärlichen Resten seiner drei Millionen bejammernswürdig vor und behauptete naiv, er sei noch zu arm, um sich zur Ruhe zu setzen. Und bald geriet der Boden unter seinen Füßen von neuem ins Wanken.
Larsonneau hatte sich in der Charonner Angelegenheit so ausgezeichnet bewährt, daß Saccard nach kurzem Zögern die Rechtlichkeit so weit trieb, ihm seine zehn Prozent und ein Draufgeld von dreißigtausend Francs auszuzahlen. Der Enteignungsagent eröffnete daraufhin eine Bank. Als ihn sein Komplice in unwirschem Ton beschuldigte, er sei reicher als er, Saccard, selber, erwiderte ihm der gelbbehandschuhte Geck lachend: »Sehen Sie, teurer Meister, Sie haben großes Geschick dazu, es Hundertsousstücke regnen zu lassen, aber Sie verstehen nicht, sie aufzulesen!«
Frau Sidonie benutzte das glänzende Geschäft ihres Bruders dazu, sich zehntausend Francs von ihm zu leihen, mit denen sie für zwei Monate nach London fuhr. Ohne einen Sou in der Tasche kehrte sie zurück. Man hat niemals erfahren, wo die zehntausend Francs abgeblieben waren.
»Je nun, so etwas kostet eben Geld«, antwortete sie, wenn sie danach gefragt wurde. »Ich habe sämtliche Bibliotheken durchstöbert und hatte drei Sekretäre für meine Nachforschungen.«
Und wenn man sich bei ihr erkundigte, ob sie nun endlich zuverlässige Angaben betreffs ihrer drei Milliarden gefunden habe, lächelte sie zunächst geheimnisvoll und murmelte schließlich: »Ihr
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