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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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seid lauter Ungläubige … Nichts habe ich gefunden, aber das tut nichts. Ihr werdet schon sehen, eines Tages werdet ihr schon sehen.«
    Trotzdem hatte sie ihre Zeit in England keineswegs zwecklos vertan. Ihr Bruder, der Minister, hatte sich ihre Reise zunutze gemacht, indem er sie mit einem schwierigen Auftrag betraute. Nach ihrer Rückkehr erhielt sie große Bestellungen vom Ministerium. Sie war wie neugeboren. Sie schloß Geschäfte mit der Regierung ab, übernahm alle erdenklichen Lieferungen. Sie vermittelte ihr Lebensmittel und Waffen für die Truppe, Mobiliar für die Präfekturen und die öffentlichen Verwaltungen, Brennholz für die Büros und die Museen. Das Geld, das sie dabei verdiente, vermochte sie nicht dazu zu bestimmen, ihre ewigen schwarzen Kleider gegen andere zu vertauschen, und ihr Gesicht blieb nach wie vor gelb und kläglich. Nun sagte sich Saccard, daß ganz bestimmt sie die Frau gewesen sei, die er eines Tages aus der Wohnung seines Bruders Eugène hatte huschen sehen. Sie mußte wohl die ganze Zeit über geheime Beziehungen zu ihm unterhalten und Geschäfte besorgt haben, von denen kein Mensch etwas wußte.
    Umgeben von all diesen Umtrieben, diesen nie zu befriedigenden brennenden Begierden, welkte Renée rasch dahin. Tante Elisabeth war gestorben. Christine hatte geheiratet und das Palais Béraud verlassen, wo nur noch ihr Vater, aufrecht wie immer, in der ernsten Düsterheit der großen Räume zurückgeblieben war. Renée brachte in einer einzigen Saison durch, was ihre Tante ihr vermacht hatte. Sie spielte jetzt. Sie hatte einen Salon gefunden, wo die Damen bis drei Uhr morgens am Spieltisch saßen und jede Nacht Hunderttausende von Francs verloren. Sie wollte es mit dem Trinken versuchen, aber das konnte sie nicht, sie empfand einen unüberwindlichen Ekel davor. Seit sie sich verlassen sah, ausgeliefert der Flut leichtfertiger Geselligkeit, die sie mit sich fortriß, ließ sie sich immer mehr gehen, weil sie nicht wußte, womit sie die Zeit totschlagen sollte. Sie kostete schließlich von allem. Und nichts besaß einen Reiz für sie in der grenzenlosen Langenweile, an der sie fast erstickte. Sie alterte schnell, blaue Ringe erschienen unter ihren Augen, ihre Nase wurde spitz, von ihren vorgeschobenen Lippen brach zuweilen ein plötzliches, grundloses Auflachen. Das war das Ende einer Frau.
    Als Maxime und Louise geheiratet hatten und die jungen Leute nach Italien gefahren waren, kümmerte sich Renée nicht mehr um den Geliebten, sie schien ihn sogar gänzlich zu vergessen. Und als sechs Monate später Maxime allein zurückkehrte, nachdem er »die Bucklige« auf dem Friedhof eines kleinen lombardischen Städtchens begraben hatte, kam bei Renée Haß gegen ihn zum Vorschein. Sie erinnerte sich an »Phädra«, gedachte zweifellos jener vergifteten Liebe, der die Ristori ihr Schluchzen geliehen hatte. Um dem jungen Mann nie mehr in ihrem Hause zu begegnen, um für immer einen Abgrund der Schmach zwischen Vater und Sohn aufzureißen, zwang sie nun ihren Mann, von der Blutschande Kenntnis zu nehmen; sie erzählte ihm, daß ihr Maxime seit langer Zeit nachgestellt und ihr an dem Tage, da Saccard die beiden überrascht hatte, habe Gewalt antun wollen. Saccard war sehr ärgerlich über die Hartnäckigkeit, mit der sie bestrebt war, ihm die Augen zu öffnen. Er mußte mit seinem Sohne brechen, durfte ihn nicht mehr sehen. Der junge Witwer, durch die Mitgift seiner Frau zum reichen Mann geworden, führte von da ab in einer kleinen Villa der Avenue de l’Impératrice ein Junggesellenleben. Er hatte auf seine Stellung im Staatsrat verzichtet und hielt sich einen Rennstall. Renée genoß nun eine ihrer letzten Genugtuungen. Sie rächte sich, sie schleuderte den beiden Männern die Schandtat ins Gesicht, zu der jene sie gebracht hatten; sie sagte sich, jetzt werde sie es nicht nochmals erleben müssen, daß die beiden, Arm in Arm wie zwei Kameraden, über sie spotteten.
    Im Zusammenbruch ihrer Liebe kam eine Zeit, da Renées einzige Vertraute ihre Zofe war. Nach und nach hatte sie eine mütterliche Zuneigung für Céleste gefaßt. Vielleicht erinnerte dieses Mädchen, außer der nichts in ihrer Umgebung von der Liebe zu Maxime übriggeblieben war, sie an für immer vergangene rauscherfüllte Stunden. Vielleicht war es auch nur die Rührung über die Treue dieser Dienerin, dieses wackeren Herzens, das anscheinend durch nichts in seiner ruhigen Fürsorge erschüttert werden konnte. Mitten in ihren

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