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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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»Dummheiten«, die er verzapft habe, niemandem weiterzuerzählen; er wolle doch, sagte er, für einen ernsthaften Menschen gehalten werden.
    Schon lange hatte Saccard diese drei Netze von Straßen und Boulevards studiert, deren Plan er unbedachterweise Angèle ziemlich genau dargelegt hatte. Als diese starb, war es ihm nicht unlieb, daß sie sein Geschwätz vom Montmartre mit sich unter die Erde nahm. Dort, in jenen berühmten Schnitten, die seine Hand dem Herzen von Paris zugefügt hatte, lag sein zukünftiger Reichtum, und er wollte seine Idee mit niemandem teilen, denn er wußte, daß am Tage der Beuteteilung genug Aasvögel über der aufgerissenen Stadt kreisen würden. Sein erster Plan bestand darin, ein beliebiges Haus, von dem er im voraus wußte, daß es zu baldiger Enteignung verurteilt war, billig zu erwerben und dann mittels einer bedeutenden Entschädigungssumme einen großen Gewinn zu erzielen. Er hätte sich vielleicht auch ohne einen Sou zu dem Wagnis entschlossen, hätte das Haus auf Kredit gekauft, um später, wie auf der Börse, nur die Differenz einzustecken; doch dann hatte er sich wiederverheiratet und konnte dank jener Prämie von zweihunderttausend Francs seinen Plan endgültig festlegen und erweitern. Jetzt waren seine Berechnungen abgeschlossen: er kaufte seiner Frau, ohne selber in Erscheinung zu treten, durch einen Strohmann das Haus in der Rue de la Pépinière ab und verdreifachte seine Einlage dank der in den Gängen des Hôtel de Ville erworbenen Sachkenntnis und der guten Beziehungen zu gewissen einflußreichen Persönlichkeiten. Wenn er damals, als Tante Elisabeth ihm die Lage des betreffenden Hauses angab, von einem Zittern befallen worden war, so deshalb, weil das Gebäude mitten in einem der vorgesehenen neuen Straßenzüge lag, von dem man vorderhand nur im Kabinett des Präfekten des Departements Seine sprach. Diese Straße, der Boulevard Malesherbes, stach alles andere aus. Man wollte damit einen alten Plan Napoleons I. zur Ausführung bringen, »um«, wie die verantwortungsbewußten Leute sagten, »einen richtigen Zugang zu den entlegenen Stadtvierteln zu schaffen, die hinter einem Gewirr enger Straßen an den steilen Böschungen der Hügel rings um Paris liegen«. Diese für die Öffentlichkeit bestimmte Aussage verriet selbstverständlich nichts von dem Interesse des Kaiserreichs am Tanz der Goldstücke, an den riesenhaften Erdarbeiten, die die Arbeiter in Atem halten sollten. Saccard hatte sich eines Tages erlaubt, beim Präfekten Einblick in den berühmten Plan von Paris zu nehmen, auf dem von »einer erlauchten Hand« mit roter Tinte die Hauptstraßen des zweiten Netzes eingezeichnet waren. Diese blutroten Federstriche schnitten noch tiefer in Paris ein als die Hand des Straßenbauinspektors. Der Boulevard Malesherbes, der beträchtliche Erdarbeiten notwendig machte und dem in der Rue d’Anjou und der Ruhe de la Villel’Evêque herrliche Palais zum Opfer fallen würden, sollte als einer der ersten durchgebrochen werden. Als Saccard das Haus in der Rue de la Pépinière besichtigte, mußte er an jenen Herbstabend denken, an das Abendessen mit Angèle auf dem Montmartre, als bei untergehender Sonne ein so dichter Regen von Goldstücken auf das Madeleine Viertel niedergegangen war. Er lächelte; er dachte, daß sich die strahlende Wolke jetzt über ihm, über seinem Hof entladen habe und er selber nun die Zwanzigfrancsstücke auflesen werde.
    Während Renée mitten in diesem neuen Paris, zu dessen Königinnen sie einmal zählen sollte, in der verschwenderisch ausgestatteten Wohnung in der Rue de Rivoli über ihre künftigen Toiletten nachdachte und sich im Leben einer großen Weltdame versuchte, widmete sich ihr Gatte mit Hingabe seiner ersten großen Unternehmung. Zunächst kaufte er seiner Frau das Haus in der Rue de la Pépinière durch einen Mittelsmann ab, einen gewissen Larsonneau, den er einmal dabei betroffen hatte, wie jener – genau wie Saccard selbst – in den Büros des Hôtel de Ville herumschnüffelte, dabei aber so ungeschickt gewesen war, sich ertappen zu lassen, als er gerade die Schubladen des Präfekten durchsuchte. Larsonneau hatte sich als Makler in einem feuchten, dunklen Hinterhof am unteren Ende der Rue SaintJacques niedergelassen. Sein Selbstbewußtsein und seine Lebensansprüche litten dort grausam. Er befand sich in der gleichen Lage wie Saccard vor seiner zweiten Heirat; auch er hatte, wie er sich ausdrückte, »eine Prägemaschine für

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