Die Beute - 2
So veranlaßte er die Wahl eines seiner Kollegen, eines umgänglichen und freundlichen jungen Mannes namens Michelin, dessen Frau, eine liebliche Schönheit, manchmal bei dem Vorgesetzten ihres Gatten erschien, um ihn zu entschuldigen, wenn er wegen Unpäßlichkeit zu Hause blieb. Er war sehr oft unpäßlich. Saccard hatte festgestellt, daß die reizende Frau Michelin, die so unauffällig durch die halbgeöffneten Türen glitt, eine Art Allmacht war; jede Krankheit trug Michelin eine Beförderung ein; er machte Karriere im Krankenbett. Als er wieder einmal dem Dienst fernblieb und seine Frau fast täglich ins Büro schickte, um Bescheid zu sagen, begegnete Saccard ihm zweimal auf den äußeren Boulevards, die Zigarre im Mund, mit der freundlichen, strahlenden Miene, die er stets zur Schau trug. Das flößte Saccard Zuneigung für diesen guten jungen Mann ein, für dieses so glückliche, gewitzte und praktische Ehepaar. Er bewunderte alle »Prägemaschinen von Hundertsousstücken«, die geschickt gehandhabt wurden. Nachdem er Michelins Wahl durchgesetzt hatte, suchte er dessen reizende Frau auf, versprach ihr, sie mit Renée bekannt zu machen, und erzählte ihr von seinem Bruder, dem Abgeordneten, dem berühmten Redner. Frau Michelin verstand.
Von diesem Tage an hatte ihr Gatte für den Kollegen Saccard stets ein besonders gewinnendes Lächeln bereit. Dieser aber, der sich von dem guten Jungen keineswegs in die Karten sehen lassen wollte, begnügte sich damit, am Tage, da jener die Abschätzung des Hauses in der Rue de la Pépinière vornahm, wie zufällig dort aufzutauchen. Er zeigte sich ihm behilflich. Michelin, der unbedeutendste und leerste Kopf, den man sich nur vorstellen kann, richtete sich nach den Anweisungen seiner Frau, die ihm empfohlen hatte, Herrn Saccard in allen Dingen zufriedenzustellen. Übrigens hatte er keinerlei Argwohn; er glaubte, der Straßenbauinspektor dränge ihn nur deshalb, seine Arbeit möglichst schnell zu erledigen, um ihn dann in ein Café mitzunehmen. Die Verträge, die Mietsquittungen, Frau Sidonies großartige Geschäftsbücher – all das glitt aus den Händen seines Kollegen mit solcher Schnelligkeit an Michelin vorbei, daß ihm nicht einmal Zeit blieb, die Ziffern zu vergleichen, die Saccard ihm laut vorlas. Larsonneau war auch zugegen, behandelte seinen Komplizen aber wie einen Fremden.
»Ach was, setzen Sie fünfhunderttausend Francs ein«, sagte Saccard abschließend. »Das Haus ist zwar mehr wert … Beeilen wir uns, ich glaube, es gibt bald eine Verschiebung in der Beamtenschaft des Hôtel de Ville, und ich möchte mit Ihnen darüber reden, damit Sie Ihrer Frau davon berichten können.«
Auf diese Weise wurde die Angelegenheit rasch abgetan. Aber Saccard hegte noch Besorgnisse. Er befürchtete, der Schätzungsbetrag von fünfhunderttausend Francs für ein Haus, das offensichtlich nicht mehr als zweihunderttausend wert war, könnte der Entschädigungskommission doch etwas zu hoch erscheinen. Noch war die riesige HäuserHausse58 nicht eingetreten. Eine Untersuchung hätte ihm ernstliche Unannehmlichkeiten bringen können. Er erinnerte sich der Worte seines Bruders: »Nur keinen zu lauten Skandal, oder ich jage dich davon.« Und er kannte Eugène als einen Mann, der seine Drohungen wahr machen würde. Es galt also, den Herren der Kommission Sand in die Augen zu streuen und sie sich geneigt zu machen. Deshalb richtete er sein Augenmerk auf zwei einflußreiche Männer, die er sich durch die Art, wie er sie grüßte, sooft er ihnen in den Gängen begegnete, zu Freunden gemacht hatte. Die sechsunddreißig Mitglieder des Stadtrats waren vom Kaiser persönlich, nach Empfehlung durch den Präfekten, sorgfältig ausgewählt worden, und zwar unter denjenigen Senatoren, Abgeordneten, Advokaten, Ärzten und Großindustriellen, die sich zu der neuen Regierung am unterwürfigsten verhielten; unter diesen allen aber verdienten der Baron Gouraud und Herr Toutin Laroche durch ihren Gesinnungseifer am meisten das Wohlwollen der Tuilerien.
Das ganze Wesen des Barons Gouraud war in der folgenden kurzen Biographie enthalten: von Napoleon I.59 in den Baronstand erhoben in Anerkennung seiner Lieferung verdorbenen Zwiebacks für die Große Armee60, war er nacheinander Pair61 unter Ludwig XVIII.62, unter Karl X.63, unter LouisPhilippe64 und nun Senator unter Napoleon III. Er war ein bedingungsloser Anbeter des Throns, dieser vier vergoldeten, mit Samt bedeckten Bretter; was für ein Mann darauf
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