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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Freundes fallen, der in der Rue de la Pépinière enteignet werden solle; er war peinlich darauf bedacht, jedem der beiden Helfershelfer zu versichern, daß er zu keinem anderen Kommissionsmitglied über die Angelegenheit sprechen werde, die ja auch noch gänzlich in der Luft hänge, daß er aber auf sein ganzes Wohlwollen zähle.
    Die Befürchtungen des Straßenbauinspektors waren berechtigt gewesen, und er hatte gut daran getan, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Als die Akten über sein Haus vor die Entschädigungskommission kamen, wollte es der Zufall, daß eines der Kommissionsmitglieder in der Rue d’Astorg wohnte und das Haus kannte. Der Mann erhob heftigen Einspruch gegen den Betrug von fünfhunderttausend Francs, den man seines Erachtens um mehr als die Hälfte herabsetzen müßte. Aristide hatte die Unverfrorenheit gehabt, siebenhunderttausend Francs verlangen zu lassen. Herr ToutinLaroche, ohnehin schon unangenehm genug gegen seine Mitarbeiter, war an diesem Tage noch unausstehlicher als sonst. Er wurde böse und ergriff Partei für die Eigentümer.
    »Wir alle sind Eigentümer, meine Herren«, schrie er. »Der Kaiser will ein großes Werk schaffen, knausern wir doch nicht bei Kleinigkeiten … Das Haus mag wohl seine fünfhunderttausend Francs wert sein; einer aus unseren Reihen, ein städtischer Beamter, hat den Betrag festgesetzt … Man könnte wirklich meinen, wir lebten im Wald von Bondy65; schließlich wird es noch dahin kommen, daß wir uns untereinander verdächtigen.«
    Baron Gouraud, der schwerfällig in seinem Sessel hing, sah mit überraschter Miene verstohlen zu Herrn ToutinLaroche hinüber, der ein wahres Feuerwerk zugunsten des Hauseigentümers in der Rue de la Pépinière inszenierte. Ein Argwohn stieg in ihm auf. Weil ihn aber dieser heftige Ausbruch der Notwendigkeit enthob, selber das Wort zu ergreifen, nickte er zum Zeichen völliger Zustimmung sacht mit dem Kopf. Das Mitglied aus der Rue d’Astorg leistete empörten Widerstand, denn es wollte den beiden Tyrannen der Kommission nicht in einer Frage nachgeben, in der es fachkundiger war als jene. Da bemächtigte sich Herr ToutinLaroche, dem die Zustimmung des Barons nicht entgangen war, energisch des Aktenbündels und erklärte in sachlichem Ton: »Nun gut! Wir werden Ihren Bedenken nachgehen … Wenn Sie gestatten, werde ich mich persönlich der Angelegenheit annehmen, und Herr Baron Gouraud wird mit mir zusammen die Sache untersuchen.«
    »Gewiß, gewiß«, sagte der Baron gewichtig, »keine Unklarheit darf unsere Entschlüsse beflecken.«
    Das Aktenbündel war bereits in den geräumigen Taschen des Herrn ToutinLaroche verschwunden. Die Kommission mußte sich fügen. Beim Weggehen sahen die beiden Gauner einander auf dem Quai an, ohne eine Miene zu verziehen. Sie fühlten sich als Mitwisser, was ihre Sicherheit verdoppelte. Zwei Durchschnittsgeister hätten gewiß Erklärungen herausgefordert; sie jedoch fuhren fort, die Hausbesitzer zu verteidigen, als könnte man sie noch hören, und über den Geist des Mißtrauens zu klagen, der sich überall einschleiche. Im Augenblick des Abschieds sagte der Baron mit einem Lächeln: »Ach, lieber Kollege, ich habe ganz vergessen, daß ich noch heute aufs Land fahren muß. Es wäre sehr liebenswürdig von Ihnen, wenn Sie die kleine Untersuchung ohne mich erledigen wollten … Und vor allem, verraten Sie mich nicht, die Herren Kollegen beklagen sich ohnehin schon darüber, daß ich zu oft Urlaub nehme.«
    »Seien Sie unbesorgt«, erwiderte Herr ToutinLaroche, »ich gehe jetzt sofort in die Rue de la Pépinière.«
    Damit begab er sich ruhig nach Hause, mit einem Anflug von Bewunderung für den Baron, der heikle Situationen so elegant zu meistern verstand. Die Akten behielt er in der Tasche und erklärte bei der nächsten Sitzung in entschiedenem Ton, sowohl im Namen des Barons als auch in seinem eigenen, daß man zwischen dem Angebot von fünfhunderttausend Francs und der Forderung von siebenhunderttausend die Mitte nehmen und sechshunderttausend Francs bewilligen müsse. Es gab nicht den geringsten Widerspruch. Das Mitglied aus der Rue d’Astorg, das sich die Sache zweifellos überlegt hatte, sagte mit großer Gutmütigkeit, er habe sich geirrt, er sei der Ansicht gewesen, es handle sich um das Nachbarhaus.
    So also trug Aristide Saccard seinen ersten Sieg davon. Er hatte seinen Einsatz vervierfacht und obendrein zwei Helfershelfer gewonnen. Nur ein Umstand machte ihm Sorge; als er die bewußten

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