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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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niemals in die liederliche Schicht der Faulpelze herabsank, sondern immer zu den wohlanständigen, gut angezogenen kleinen Herren gehörte, über die es nichts zu sagen gab. Seine ganze Jugendlichkeit bestand in einem wahren Kleiderkult. Paris öffnete ihm die Augen, machte aus ihm einen schönen Jüngling mit wie angegossen sitzenden Anzügen nach der neuesten Mode. Er war der Brummel75 seiner Klasse. Dort erschien er wie in einem Salon, mit feinem Schuhwerk, enganliegenden Handschuhen, wunderbaren Krawatten und unsagbar schönen Hüten. Übrigens gab es dort etwa zwanzig solcher Schüler, die eine Art Aristokratie bildeten, einander beim Verlassen des Schulgebäudes aus Etuis mit goldenem Verschluß Havannazigarren anboten und sich die Schulbücher von livrierten Dienern nachtragen ließen. Maxime hatte seinen Vater dazu bewogen, ihm ein Tilbury76 mit einem kleinen Rappen anzuschaffen, ein Gegenstand der Bewunderung für seine Kameraden. Er kutschierte selbst, während der Lakai mit gekreuzten Armen hinten saß, auf den Knien die Schulmappe, ein wahres Ministerportefeuille aus kastanienbraunem Chagrinleder. Und man mußte nur sehen, mit welcher Leichtigkeit, welcher Sachkenntnis und vorschriftsmäßigen Haltung Maxime in zehn Minuten von der Rue de Rivoli nach der Rue du Havre fuhr, sein Pferd genau vor dem Schultor anhielt und mit den Worten: »Jaques, um halb fünf, verstanden?« dem Diener die Zügel zuwarf. Die Ladeninhaber der Umgebung waren hingerissen von der Anmut des blonden Stutzers, den sie regelmäßig zweimal am Tag in seinem Wagen ankommen und abfahren sahen. Auf dem Rückweg nahm er manchmal einen Freund bis vor dessen Tür mit. Dabei rauchten dann die beiden Jungen, musterten die Frauen und bespritzten die Vorübergehenden mit Straßenschmutz, als kehrten sie vom Rennen heim. Einer erstaunlichen kleinen Welt, einer Brut von Laffen und Strohköpfen, kann man täglich in der Rue du Havre begegnen, wie sie, tadellos angezogen, in ihren geckenhaften Jacketts die reichen, blasierten Herren spielen, während die Bohème77 des Gymnasiums, die richtigen Schüler, schreiend und einander stoßend angelaufen kommen, wobei sie mit ihrem groben Schuhwerk auf dem Pflaster stampfen und ihnen die Bücher, mit einem Riemen zusammengeschnallt, auf dem Rücken baumeln.
    Renée, die ihre Rolle als Mutter und Erzieherin ernst nehmen wollte, war sehr erbaut von ihrem Schüler. Tatsächlich versäumte sie nichts, um seine Erziehung zu vervollkommnen. Sie machte gerade eine Zeit voll Verdruß und Tränen durch; ein Liebhaber hatte sie vor kurzem unter viel Aufsehen verlassen und sich der Herzogin de Sternich zugewandt; ganz Paris wußte davon. Sie hoffte, in Maxime einen Trost zu finden, stellte sich älter, zerbrach sich den Kopf darüber, wie sie mütterlich erscheinen könnte, und wurde der originellste Mentor78, den man sich vorstellen kann. Oft blieb Maximes Tilbury zu Hause, und Renée holte den Gymnasiasten in ihrer großen Kalesche ab. Sie versteckten die kastanienbraune Schulmappe unter dem Sitz und fuhren in den Bois de Boulogne, der damals gerade ein neues Aussehen bekommen hatte. Hier hielt Renée dem Jungen einen Vortrag über die wahre Eleganz. Sie nannte alle Namen des kaiserlichen Paris, das wohlgenährt und glücklich war und noch ganz entzückt davon, daß ein Zauberstab über Nacht die Hungerleider und Handlanger von gestern in Grandseigneurs79 und Millionäre verwandelt hatte, die unter dem Gewicht ihrer Geldsäcke ächzten und fast zusammenbrachen. Doch der Junge fragte Renée vor allem über die Frauen aus, und da sie sehr ungeniert mit ihm umging, verriet sie ihm genaue Einzelheiten; Frau de Guende sei unbedeutend, aber wundervoll gewachsen; die sehr reiche Gräfin Vanska habe in den Höfen gesungen, ehe sie sich von einem Polen heiraten ließ, der sie prügelte, wie man erzählte; die Marquise d’Espanet und Suzanne Haffner seien unzertrennlich; und obwohl Renée mit beiden eng befreundet war, fügte sie mit verkniffenen Lippen, als wolle sie mehr nicht sagen, hinzu, daß man sich da recht häßliche Geschichten erzähle. Auch die schöne Frau de Lauwerens sei äußerst kompromittierend, doch habe sie so hübsche Augen, und schließlich sei man allgemein von ihrer persönlichen Unantastbarkeit überzeugt, wenn sie auch allzusehr in die Intrigen der armen kleinen Frauen hineingezogen worden sei, in die der Frau Daste, der Frau Teissière und der Baronin Meinhold, die sie häufig besuchten. Maxime

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