Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
wollte gern Bilder dieser Damen haben; er steckte sie dann in ein Album, das ständig auf dem Salontisch herumlag. Mit jener lasterhaften Hinterlist, die der beherrschende Zug seines Charakters war, fragte er seine Stiefmutter, um sie in Verlegenheit zu bringen, nach Einzelheiten über Dirnen aus und tat dabei, als halte er sie für anständige Frauen. Renée, jetzt ernsthaft und moralisch, erklärte ihm, daß das schreckliche Geschöpfe seien, die er sorgsam meiden müsse; dann vergaß sie sich wieder und sprach von ihnen wie von Personen, die sie sehr genau kannte. Mit besonderem Genuß brachte der Junge das Gespräch auf die Herzogin de Sternich. Wenn sie deren Wagen im Bois de Boulogne begegneten, unterließ Maxime es nie, den Namen der Herzogin zu erwähnen, und zwar mit versteckter Bosheit und einem verstohlenen Blick, der deutlich bewies, daß er von Renées letztem Abenteuer wußte. Diese pflegte dann mit frostiger Stimme über ihre Rivalin herzufallen: wie sehr sie doch gealtert sei, diese arme Frau! Sie schminke sich, in allen Schränken halte sie Anbeter versteckt, sie habe sich einem Kammerherrn hingegeben, um in das kaiserliche Bett zu gelangen. Renée fand kein Ende, während Maxime, um sie völlig zur Verzweiflung zu bringen, die Herzogin bezaubernd nannte. Derartige Lektionen entwickelten den Verstand des Schülers in hervorragender Weise, um so mehr, als die junge Lehrmeisterin sie überall wiederholte, im Bois, im Theater, in den Salons. Er wurde ein sehr tüchtiger Schüler.
    Nichts schätzte Maxime höher, als inmitten von Frauenröcken, allerlei weiblichem Putz, im Duft von Reispuder zu leben. Mit seinen zarten Händen, dem bartlosen Gesicht, dem weißen, vollen Hals machte er immer noch einen etwas mädchenhaften Eindruck. Renée beriet ernsthaft ihre Toilettenfragen mit ihm. Er kannte die ersten Schneider von ganz Paris, beurteilte jeden von ihnen mit einem einzigen Wort, sprach von den geschmackvollen Hüten des einen, von den logischen Toiletten eines anderen Hauses. Es gab keine Modistin, die er mit seinen siebzehn Jahren nicht ergründet, keinen Schuhmachermeister, den er nicht auf Herz und Nieren geprüft hätte. In einem Alter, in dem die Provinzbengels es noch nicht wagen, ihrem Dienstmädchen ins Gesicht zu sehen, las dieser seltsam frühreife Schlingel während der Englischstunden in den Prospekten, die ihm sein Parfümlieferant jeden Freitag zusandte, und hätte eine prächtige Doktorarbeit über das gesamte mondäne Paris einschließlich seiner Käufer und Lieferanten schreiben können. Oft brachte er auf der Heimfahrt von der Schule einen Hut, eine Schachtel feiner Seife oder einen Schmuckgegenstand mit, die seine Stiefmutter tags zuvor bestellt hatte. In seinen Rocktaschen trug er stets irgendein Stückchen moschusduftender Spitze mit sich herum. Doch sein größtes Vergnügen war, Renée zu dem berühmten Worms, dem genialen Modeschöpfer, zu begleiten, vor dem die Königinnen des zweiten Kaiserreichs auf den Knien lagen. Der Salon dieses großen Meisters war ein weiter, quadratischer, mit breiten Diwanen ausgestatteter Raum. Maxime betrat ihn in frommer Ergriffenheit. Elegante Toiletten haben gewiß einen eigenen Wohlgeruch; Seide, Atlas, Samt und Spitzen hatten hier ihren leichten Duft mit dem der Haare und der mit Ambra parfümierten Schultern vermischt; und die Luft des Salons bewahrte stets etwas von diesem lauen Hauch, diesem Weihrauch der Haut und des Luxus, der den Raum in den Tempel einer geheimen Gottheit verwandelte. Oft mußten Renée und Maxime stundenlang warten; an die zwanzig Damen harrten mit ihnen und tauchten, bis sie an die Reihe kamen, kleine Biskuits in Gläser mit Madeira oder nahmen an dem großen Mitteltisch, auf dem jederzeit Flaschen und Schalen mit Petits fours80 bereitstanden, einen Imbiß ein. Die Damen fühlten sich ganz zu Hause, plauderten unbefangen, und wenn sie sich rings an den Wänden niedersetzten, hätte man glauben können, ein weißer Schwarm von Lesbierinnen habe sich auf die Diwane eines Pariser Salons herabgelassen. Maxime, wegen seines mädchenhaften Aussehens geduldet und beliebt, war das einzige männliche Wesen, das zu diesem Heiligtum Zutritt hatte. Er schwelgte hier in himmlischen Genüssen; wie eine flinke Natter glitt er an den Diwanen entlang, bald fand man ihn unter einem Rock, bald hinter einer Bluse oder zwischen zwei Kleidern, wo er sich ganz klein machte, sich mäuschenstill verhielt und mit dem Ausdruck eines Chorknaben,

Weitere Kostenlose Bücher