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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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stehenden Fußes zu meinem Anwalt, um einen letzten Einspruch wegzuräumen … Auf bald, mein Liebling. Sie wissen, daß ich Sie erwarte und Ihre schönen Augen trocknen möchte.«
    Sie entglitt, entschwand … Renée hörte nicht einmal, wie sie die Tür zumachte. Sie blieb vor dem verlöschenden Feuer sitzen, spann, den Kopf voll tanzender Ziffern, den Traum dieses Tages fort und hörte von weitem Saccards und Frau Sidonies Stimmen ihr mit dem Ton eines Auktionators, der Mobiliar versteigert, beträchtliche Summen anbieten. Auf ihrem Nacken spürte sie noch den rohen Kuß ihres Mannes, und wenn sie sich umwandte, saß zu ihren Füßen die Kupplerin mit ihrem schwarzen Kleid, ihrem weichlichen Gesicht, sprach leidenschaftlich auf sie ein, rühmte ihre Vollkommenheit und flehte sie mit der Haltung eines Liebhabers, der am Ende seiner Geduld angelangt ist, um ein Rendezvous an. Darüber mußte sie lächeln. Die Hitze im Zimmer wurde immer erstickender. Und die Betäubung der jungen Frau, ihre bizarren Träume waren nur ein leichter, ein künstlicher Schlaf, durch den hindurch sie immer wieder das kleine Séparée des Boulevards erblickte, den breiten Diwan, neben dem sie auf die Knie gesunken war. Sie litt durchaus nicht mehr. Als sie die Augen auf tat, erschien ihr Maxime im rosigen Licht der Kaminglut.
    Am nächsten Tag, auf dem Ball des Ministeriums, war die schöne Frau Saccard bezaubernd. Worms hatte die Anzahlung von fünfzigtausend Francs angenommen, und Renée ging mit dem Lächeln einer Wiedergenesenen aus der Geldverlegenheit hervor. Wenn sie in ihrer Festrobe aus rosa Faille mit der langen, von breiten weißen Spitzen umsäumten LouisXIV Schleppe108 durch die Säle schritt, erhob sich ein Flüstern, die Männer stießen einander, um sie besser sehen zu können. Und ihre Vertrauten verneigten sich mit einem diskreten, wissenden Lächeln und huldigten diesen schönen, im ganzen offiziellen Paris so bekannten Schultern, die die festen Stützen des Kaiserreichs waren. Sie trug ihr Décolleté mit einer solchen Mißachtung etwaiger Blicke, schritt so ruhig und liebreizend in ihrer Blöße dahin, daß es kaum noch anstößig wirkte. Eugène Rougon, der große Politiker, der diesen entblößten Busen für noch beredter hielt als seine Reden vor der Kammer, für süßer und überzeugender, um den Reizen der neuen Regierung Anklang zu verschaffen und die Ungläubigen zu gewinnen, trat an seine Schwägerin heran und sprach ihr seine Anerkennung aus zu dem ebenso glücklichen wie mutigen Einfall, ihre Korsage um zwei Fingerbreit tiefer ausschneiden zu lassen als üblich. Fast der ganze Corps législatif war zugegen, und aus der Art, mit der die Abgeordneten die junge Frau betrachteten, versprach sich der Minister für den nächsten Tag einen schönen Erfolg in der heiklen Frage der Pariser städtischen Anleihe109. Man konnte unmöglich gegen eine Macht stimmen, die aus dem Humus der Millionen eine Blüte wie diese Renée erblühen ließ, eine so eigenartige Blüte der Wollust mit seidigem Fleisch, einer statuenhaften Nacktheit, der wandelnde Genuß, der einen zarten Duft von Sinnesglut zurückließ. Am meisten aber tuschelten die Ballgäste über den Halsschmuck und die Aigrette. Die Männer erkannten die Stücke wieder. Die Frauen machten einander mit verstohlenen Blicken darauf aufmerksam. Den ganzen Abend sprach man von nichts anderem. Und in der langen Flucht der Säle, unter dem blendenden Licht der Kronleuchter wogte eine glänzende Menschenmenge, als wäre ein ganzes Sterngewimmel auf einen zu engen Raum herabgefallen.
    Gegen ein Uhr verschwand Saccard. Er hatte den Triumph seiner Frau ausgekostet wie jemand, dem ein erfolgreicher Theatercoup geglückt ist. Für seinen Kredit bedeutete das erneute Festigung. Eine wichtige Angelegenheit rief ihn zu Laure d’Aurigny; er machte sich frei, indem er Maxime bat, Renée nach dem Ball nach Hause zu begleiten.
    Maxime verbrachte den Abend klüglicherweise neben Louise de Mareuil, beide waren lebhaft damit beschäftigt, den Frauen, die da kamen und gingen, irgend etwas entsetzlich Schlechtes nachzusagen. Und wenn sie dabei etwas besonders Tolles herausgefunden hatten, erstickten sie ihr Gelächter in ihren Taschentüchern. Schließlich mußte Renée, als sie sich verabschieden wollte, den jungen Mann um seinen Arm bitten. Im Wagen war sie von nervöser Fröhlichkeit, noch durchschauert von dem Lichterrausch, den Parfums, dem Lärm, die sie umgeben hatten. Übrigens

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