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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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hätten, könnte ich ihn Ihnen zum Lesen geben … Stellen Sie sich vor, der Gatte kümmert sich gar nicht um sie. Sie hatte Wechsel unterschrieben und mußte sich Geld von einem mir bekannten Herrn leihen. Ich habe die Wechsel den Klauen der Gerichtsdiener entrissen, und das hat mich Mühe genug gekostet … Glauben Sie etwa, daß diese armen Menschenkinder Böses tun? Mein Haus steht ihnen offen, wie wenn sie mein Sohn, meine Tochter wären.«
    »Sie kennen einen Geldverleiher?« warf Renée lässig ein.
    »Ich kenne zehn … Sie sind zu gütig. Unter uns Frauen, nicht wahr, kann man über manches reden, und ich bin durchaus nicht gewillt, Ihren Gatten, nur weil er mein Bruder ist, zu entschuldigen, wenn er hinter den Dirnen herläuft und eine so reizende kleine Frau wie Sie vor dem Kaminfeuer Trübsal blasen läßt … Diese Laure d’Aurigny kommt ihm sehr teuer zu stehen. Es würde mich nicht wundern, wenn er Ihnen Geld verweigert hätte. Er hat es Ihnen verweigert, nicht wahr? Oh, der Elende!«
    Renée lauschte mit Wohlgefallen dieser weichen Stimme, die wie ein noch undeutlicher Widerhall ihrer eigenen Gedanken aus dem Dunkel tönte. Mit halbgeschlossenen Lidern, fast in ihrem Sessel liegend, war sie sich gar nicht mehr der Anwesenheit Frau Sidonies bewußt; sie vermeinte zu träumen, daß böse Gedanken in ihr aufstiegen und sie mit unendlicher Süße verlockten. Die Kupplerin redete lange, es klang wie laues, eintönig dahinplätscherndes Wasser.
    »Frau de Lauwerens nämlich ist es, die Ihr Leben ruiniert hat. Sie wollten mir das nie glauben. Ach, wenn Sie mir nicht mißtraut hätten, säßen Sie jetzt nicht weinend an Ihrem Kamin … Und doch habe ich Sie lieb wie meinen Augapfel, mein schönes Kind. Sie haben ein entzückendes Füßchen! Sie werden mich auslachen, aber ich muß Ihnen meine Verrücktheit gestehen: habe ich Sie einmal drei Tage lang nicht gesehen, so muß ich unbedingt herkommen, um Sie zu bewundern; ja wirklich, mir fehlt dann etwas; ich muß mich an Ihrem herrlichen Haar weiden, an Ihrem so weißen, so zarten Gesicht, Ihrer schlanken Taille … Tatsächlich, ich habe nie eine ähnliche Taille gesehen!«
    Renée mußte schließlich lächeln. Nicht einmal ihre Liebhaber brachten soviel Wärme, eine so andächtige Begeisterung auf, wenn sie zu ihr von ihrer Schönheit sprachen. Frau Sidonie sah dieses Lächeln.
    »Also, es bleibt dabei«, sagte sie und stand rasch auf. »Ich schwatze und schwatze und vergesse dabei, daß ich Ihnen auf die Nerven falle … Sie kommen morgen, nicht wahr? Wir werden die Geldfragen besprechen, werden einen Geldverleiher ausfindig machen … Sie verstehen mich doch, ich möchte Sie glücklich sehen.«
    Die junge Frau, reglos, halb betäubt von der Hitze, antwortete nach einem Stillschweigen, so, als habe es einer mühseligen Anstrengung bedurft, um zu begreifen, was da neben ihr gesprochen wurde: »Ja, abgemacht, ich werde kommen, und wir plaudern dann miteinander; aber nicht morgen … Worms wird sich mit einer Anzahlung zufriedengeben. Sollte er mich wieder bedrängen, dann können wir ja sehen … Sprechen Sie mir nicht mehr von alledem. Mein Kopf ist wie zertrümmert von diesen Geschäften.«
    Frau Sidonie schien sehr enttäuscht. Sie wollte sich nochmals setzen und ihren schmeichelnden Monolog wieder aufnehmen, doch Renées müdes Aussehen veranlaßte sie, ihren Angriff auf später zu verschieben. Sie zog eine Handvoll Papiere aus ihrer Tasche und fischte schließlich eine Art rosa Schachtel heraus.
    »Ich kam eigentlich, um Ihnen eine neue Seife zu empfehlen«, sagte sie, wobei sie wieder ihren Maklerton anschlug. »Ich interessiere mich sehr für den Erfinder, einen reizenden jungen Mann. Die Seife ist äußerst mild, sehr gut für die Haut. Sie werden einen Versuch damit machen, nicht wahr, und sie Ihren Freundinnen empfehlen … Ich lege sie Ihnen hier auf den Kaminsims.«
    Sie war bereits an der Tür, als sie nochmals zurückkam und, mit ihrem wachsbleichen Gesicht mitten im rosigen Schein des Kaminfeuers stehend, begann, einen elastischen Hüftgürtel anzupreisen, eine Erfindung, die das Korsett ersetzen sollte.
    »Das macht Ihnen eine vollkommen runde Taille, eine richtige Wespentaille«, sagte sie. »Ich habe die Sache aus einem Konkurs gerettet. Wenn Sie zu mir kommen, können Sie das Muster anprobieren, wenn Sie wollen … Eine ganze Woche lang mußte ich von einem Advokaten zum anderen rennen. Die Akten stecken in meiner Tasche, und ich gehe jetzt

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