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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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in einer langen, nicht sehr tiefen Nische eine Badewanne, ein in den Fußboden eingelassenes rosa Marmorbecken, dessen Rand, geriffelt wie der einer Muschel, genau mit dem Teppich abschloß. Marmorstufen führten in die Wanne hinab. Über den wie Schwanenhälse gebogenen silbernen Wasserhähnen nahm ein rahmenloser, ausgezackter venezianischer Spiegel, dessen Kristall mit Mustern in Mattschliff verziert war, die Rückwand der Nische ein. Jeden Morgen nahm Renée ein Bad von einigen Minuten. Dieses Bad erfüllte den Raum den ganzen Tag über mit einer leichten Feuchtigkeit, einem Geruch nach frischer, benetzter Haut. Zuweilen brachte ein unverkorkter Flakon, ein Stück Seife, das neben seinem Behälter liegengeblieben war, ein etwas stärkeres Arom in die ein wenig fade und matte Luft. Die junge Frau liebte es, hier bis gegen Mittag fast nackt zu verweilen. Auch das runde Zelt war nackt. Diese rosa Badewanne, die Tische, die rosa Schüsseln, der Musselin an Decke und Wänden, unter dem rosiges Blut zu rieseln schien, rundeten sich wie Fleisch, wie Rundungen von Schultern und Brüsten; und je nach der Tageszeit vermeinte man die schneeige Haut eines Kindes oder die heiße Haut einer Frau zu sehen. Es herrschte hier eine einzige, ungeheure Nacktheit. Wenn Renée aus dem Bade stieg, fügte ihr blonder Körper nur noch ein ganz klein wenig Rosa zu all dem rosigen Fleisch des Raumes.
    Diesmal entkleidete Maxime Renée. Er verstand sich auf derlei Dinge, und seine flinken Hände errieten die Nadeln, glitten mit einer Art angeborenen Wissens um die Taille. Er löste ihr die Frisur, nahm ihr die Diamanten ab, flocht ihr das Haar für die Nacht. Und wenn er seinen Obliegenheiten als Zofe und Frisör Scherze und Liebkosungen beimischte, lachte Renée mit einem satten unterdrückten Lachen, während die Seide ihrer Korsage knisterte und ihre Röcke einer nach dem anderen fielen. Als sie sich nackend sah, blies sie die Kerzen des Armleuchters aus, umschlang Maxime und trug ihn fast in das Schlafzimmer. Der Ball hatte sie völlig berauscht. In ihrem Fieber war ihr der gestrige Tag gegenwärtig, den sie vor dem Kaminfeuer zugebracht hatte, der Tag brennend heißer Betäubung und undeutlicher, lächelnder Träume. Sie hörte noch immer die Wechselrede der trockenen Stimmen Saccards und Frau Sidonies, die im näselnden Ton eines Gerichtsvollziehers Zahlen ausriefen. Diese Menschen machten sie verrückt, trieben sie zum Verbrechen. Und selbst zu dieser Stunde, da sie, tief in dem großen Bett ruhend, Maximes Lippen suchte, sah sie ihn noch inmitten der Kaminglut des Vorabends, wie er sie mit versengenden Blicken anschaute.
    Erst um sechs Uhr morgens ging der junge Mann. Sie gab ihm den Schlüssel zu der kleinen Tür des Parc Monceau und ließ ihn schwören, jeden Abend wiederzukommen. Das Ankleidezimmer war durch eine in der Mauer verborgene Dienertreppe, die auch zu den übrigen Räumlichkeiten des Türmchens führte, mit dem dotterblumengelben Salon verbunden. Vom Salon aus konnte man leicht in das Treibhaus und von da in den Park gelangen.
    Als Maxime bei Tagesanbruch in einen dichten Nebel hinaustrat, war er ein wenig bestürzt über sein Liebesglück. Im übrigen nahm er es mit der Selbstgefälligkeit eines geschlechtslosen Wesens hin.
    Es ist nicht meine Schuld, dachte er, schließlich will sie es so haben … Sie ist verteufelt schön, und sie hatte recht, im Bett ist sie doppelt so ergötzlich wie Sylvia.
    Sie waren schon an jenem Tage in die Blutschande hinabgeglitten, als sich Maxime in seinem abgetragenen Schülerröckchen Renée an den Hals gehängt und ihr Obergewand à la Gardefrançaise zerknittert hatte. Seither ließ sie jeder gemeinsam verbrachte Augenblick tiefer ins Widernatürliche sinken. Die merkwürdige Erziehung, die die junge Frau dem Kind angedeihen ließ, die Vertraulichkeiten, die die beiden zu Kameraden machten, später die schäkernde Kühnheit ihrer Geständnisse – diese ganze gefährliche Nähe knüpfte schließlich eigentümliche Bande zwischen ihnen, wobei die Freuden der Freundschaft schon fast zu sinnlicher Befriedigung wurden. Seit Jahren bereits hatten sie sich einander hingegeben, und der brutale Akt war nur der jähe Ausbruch dieser unbewußten Liebeskrankheit. In der toll gewordenen Welt, in der sie lebten, war ihre Schuld herangewachsen wie auf einem mit schädlichen Säften getränkten Düngerhaufen; sie hatte sich mit ungewöhnlichem Raffinement entwickelt, unter Bedingungen, die jeder

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