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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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liebe Freundin? Die Persönlichkeit, die das Geld vorstreckt, verlangt ungeheuer hohe Zinsen. Sie fordert einen nach sechs Monaten zahlbaren Wechsel auf achtzigtausend Francs.«
    Und nachdem er den kleinen Berg mit einem spitzen Stückchen Glut gekrönt hatte, legte er die Hände über der Feuerzange zusammen und sah seine Frau unverwandt an.
    »Achtzigtausend Francs!« rief sie aus. »Aber das ist ja Diebstahl! – Und Sie raten mir zu einem solchen Wahnsinn?«
    »Nein«, sagte er geradeheraus. »Aber, wenn Sie unbedingt Geld brauchen, habe ich nichts dagegen einzuwenden.«
    Er stand auf, als wolle er sich zurückziehen. In fürchterlicher Unentschlossenheit sah Renée bald ihren Mann an, bald die Rechnung, die er auf dem Kamin hatte liegen lassen. Schließlich preßte sie die Hände an ihren armen Kopf und flüsterte: »O diese Geschäfte … Mein Kopf ist heute morgen wie zertrümmert … Gut, ich werde diesen Wechsel auf achtzigtausend Franc unterschreiben. Täte ich es nicht, so würde es mich noch ganz krank machen. Ich kenne mich ja, ich würde den ganzen Tag in einem schrecklichen Kampf zubringen … Dummheiten mache ich lieber sofort. Das verschafft mir Erleichterung.«
    Und sie sagte, sie wolle klingeln, damit man ihr Stempelpapier brächte. Aber Saccard wollte ihr diesen Dienst selber erweisen. Zweifellos hatte er das Stempelpapier schon in der Tasche gehabt, denn seine Abwesenheit dauerte kaum zwei Minuten. Während sie an einem Tischchen schrieb, das er ihr ans Fenster gerückt hatte, betrachtete er sie mit Augen, in denen ein erstauntes Begehren aufflammte. Es war sehr warm im Zimmer, das noch ganz erfüllt war vom Duft der ersten Morgentoilette nach dem Aufstehen der jungen Frau. Während des Gesprächs war ihr der Morgenrock, in den sie sich gehüllt hatte, von den Schultern geglitten, und ihr Mann, der jetzt vor ihr stand, ließ den Blick über ihren gebeugten Kopf, in das Gold ihrer Haare, weit hinunter über ihren Hals bis zu ihrem weißen Busen schweifen. Er hatte ein eigentümliches Lächeln; das glühende Kaminfeuer, von dem ihm das Gesicht brannte, das geschlossene Zimmer, dessen schwere Luft etwas wie ein Liebesarom bewahrte, dieses blonde Haar und die weiße Haut, die ihn durch eine Art ehelicher Geringschätzung in Versuchung führten, stimmten ihn nachdenklich, ließen das Drama, von dem er soeben eine Szene gespielt hatte, größere Ausmaße annehmen und heimliche, wollüstige Berechnungen in seinem brutalen Spekulantensinn entstehen.
    Als seine Frau ihm mit der Bitte, das Weitere zu veranlassen, den Wechsel reichte, ergriff er das Papier, ohne den Blick von ihr zu lassen.
    »Sie sind entzückend schön«, flüsterte er.
    Als sie sich bückte, um das Tischchen zurückzuschieben, küßte er sie roh auf den Nacken. Sie stieß einen kleinen Schrei aus. Dann richtete sie sich zitternd auf und versuchte zu lachen, während sie sich nicht des Gedankens an die Küsse des anderen am Abend zuvor zu erwehren vermochte. Ihn aber reute dieser rohe Kuß. Mit freundschaftlichem Händedruck verließ er sie und versprach ihr, daß sie die fünfzigtausend Francs bis zum Abend desselben Tages bekommen werde. Renée verbrachte den ganzen Tag halb schlafend am Kaminfeuer. In gefahrvollen Stunden überkam sie stets die Mattigkeit einer Kreolin. Ihre ganze Ausgelassenheit schlug dann in Trägheit, Frösteln und Verschlafenheit um. Sie klapperte mit den Zähnen, brauchte sengende Glut und beklemmende Hitze, die ihr kleine Schweißperlen auf die Stirn trieb und sie einschläferte. In dieser siedendheißen Luft, diesem Flammenbad, litt sie fast nicht mehr; ihr Schmerz wurde so etwas wie ein leichter Traum, eine unklare Beklemmung, deren Unbestimmtheit sich schließlich sogar in Wollust verwandelte. So wiegte sie bis zum Abend im roten Schein des Kamins, vor einem schrecklichen Feuer, das die Möbel um sie her zum Knacken brachte und ihr zeitweilig das Bewußtsein raubte, ihre Gewissensbisse vom Vortage ein. Sie konnte an Maxime denken wie an einen glühenden Genuß, dessen Strahlen sie versengten; es war ein Alptraum von seltener Liebeslust inmitten von Scheiterhaufen, auf bis zur Weißglut erhitzten Betten. Céleste kam und ging mit dem stillen Gesicht einer Dienerin, in deren Adern eiskaltes Blut rollt. Sie hatte Auftrag, niemanden hereinzulassen; sie wies sogar die Unzertrennlichen, Adeline d’Espanet und Suzanne Haffner, ab, die soeben von einem gemeinsamen Frühstück aus SaintGermain107 kamen, wo sie ein

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