Die Beute - 2
Göttin mit ihrem blonden Dianenhaupt, ihren bloßen Armen, die sich so keusch bewegten, ihrem makellosen Körper, der in allen Stellungen auf der kleinen Causeuse edle Linien von antiker Anmut zeigte. Einen Ort aber gab es, vor dem Maxime beinahe Angst empfand und wohin Renée ihn nur an schlimmen Tagen entführte, an Tagen, da sie einer herberen Trunkenheit bedurfte. Dann war das Treibhaus der Schauplatz ihrer Liebe. Dort genossen sie ihre Blutschande.
Eines Nachts in einer bangen Stunde hatte die junge Frau verlangt, daß ihr Geliebter eines der schwarzen Bärenfelle hole. Dann hatten sie sich am Rande des Beckens, auf dem großen kreisförmigen Weg auf diesem pechschwarzen Pelz gelagert. Draußen herrschte bei klarem Mondschein ein fürchterlicher Frost. Maxime war vor Kälte zitternd angelangt, mit eisigen Fingern und Ohren. Das Treibhaus war so stark geheizt, daß er auf dem Tierfell ohnmächtig wurde. Aus der trockenen, prickelnden Kälte draußen war er in eine so drückende Glut geraten, daß ihn seine Haut brannte, als hätte man ihn mit Ruten gepeitscht. Als er wieder zu sich kam, sah er Renée kniend über sich gebeugt, mit starren Augen und einer so brutalen Haltung, daß ihn Furcht überkam. Die Haare aufgelöst, die Schultern entblößt, stützte sie sich auf beide Hände und glich mit ihrem langgestreckten Rücken einer riesigen Katze mit phosphoreszierenden Augen. Der junge Mann, der auf dem Rücken lag, gewahrte jetzt über die Schultern dieses schönen liebelüsternen Tieres, das ihn anblickte, hinweg die marmorne Sphinx, auf deren schimmernden Schenkeln das Mondlicht lag. Renée hatte ganz die Haltung und das Lächeln dieses Ungeheuers mit dem Frauenkopf und in ihren herabgleitenden Röcken schien sie die weiße Schwester dieser schwarzen Gottheit zu sein.
Maxime war noch immer matt. Die Hitze war erstickend, eine dumpfe Hitze, die nicht als Feuerregen vom Himmel fiel, sondern wie eine ungesunde Ausdünstung auf der Erde dahinkroch und deren Brodem aufstieg gleich einer gewitterschwangeren Wolke. Heiße Feuchtigkeit bedeckte die Liebenden mit dem Tau eines glühenden Schweißes. Lange verharrten sie regungslos und schweigend in diesem Flammenbad, Maxime wie zerschlagen und ohne jede Lebensäußerung, Renée auf ihren Handgelenken federnd wie auf geschmeidigen Beinen. Durch die kleinen Fenster des Gewächshauses hindurch sah man Ausschnitte des Parc Monceau, zarte schwarze Silhouetten der Baumgruppen, Rasenflächen, die weiß waren wie zugefrorene Teiche, eine ganze erstorbene Landschaft, die in ihrer Feinheit und ihrer hellen, gleichförmigen Tönung an japanische Holzschnitte erinnerte. Und das Stückchen heißer Erde, das glühende Lager, auf dem die Liebenden ruhten, brodelte seltsam inmitten der großen, stummen Kälte.
Sie verbrachten eine Nacht toller Liebe. Renée war der Mann, der leidenschaftliche, handelnde Wille; Maxime ließ alles mit sich geschehen. Dieses geschlechtslose, blonde und hübsche Geschöpf, das schon von Kind an in seiner Männlichkeit beeinträchtigt war, wurde mit seinen unbehaarten Gliedern, der anmutsvollen Magerkeit eines römischen Epheben114 in den Armen der jungen Frau zu einem großen Mädchen. Er schien für die Perversion der Sinne geboren und aufgewachsen zu sein. Renée kostete ihr Herrschergefühl aus und machte dieses Wesen, in dem sich das Geschlecht noch immer nicht entscheiden konnte, ihrer Leidenschaft gefügig. Das bedeutete für sie ein unausgesetztes staunendes Begehren, eine Überraschung für ihre Sinne, eine bizarre Mischung von Unbehagen und schneidender Lust. Sie kannte sich nicht mehr aus. Immer wieder stand sie wie vor einem Rätsel vor seiner feinen Haut, seinem rundlichen Hals, seiner Hingabe und seiner Ermattung. Sie erfuhr jetzt eine Zeit der Erfüllung. Dadurch, daß ihr Maxime eine neue Art der Erregung offenbarte, bildete er eine Ergänzung zu ihren unsinnigen Toiletten, ihrem verschwenderischen Luxus, der Überspanntheit ihres Lebens. Durch ihn erhielt ihre Sinnlichkeit den extravaganten Ton, den man schon rings um sie her angestimmt hatte. Er war der Liebhaber, den den Moden, den Torheiten jener Zeit entsprach. Dieser hübsche junge Mensch, dessen Jacketts seine schlanken Formen sichtbar werden ließen, dieses mißglückte Mädchen, das mit einem Madonnenscheitel, kichernd und gelangweilt lächelnd über die Boulevards spazierte, erwies sich unter Renées Händen als einer jener dekadenten Lüstlinge, die zu gewissen Zeiten und in
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