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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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einer angefaulten Nation einen Körper erschöpfen und einen Geist zerstören.
    Und besonders im Treibhaus war Renée der Mann. Der glühenden Nacht, die sie dort verbracht hatten, folgten weitere. Das Treibhaus liebte, entbrannte mit ihnen. In der schwülen Luft, dem weißlichen Mondlicht sahen sie die fremdartige Pflanzenwelt, die sie hier umgab, in wirrer Bewegung und gegenseitiger Umschlingung. Das schwarze Bärenfell beherrschte den ganzen Weg. Zu ihren Füßen dampfte das Wasserbecken, erfüllt von einem Gewimmel eng ineinander verflochtener Wurzeln, während sich der rosige Stern der Lotosblüte auf der Wasserfläche öffnete wie das Mieder einer Jungfrau und die Monsteras ihr Gestrüpp herabhängen ließen, das dem Haar vor Leidenschaft, hinsinkender Nereiden115 glich. Die Palmen rings um sie her, die riesigen indischen Bambusstauden richteten sich hoch auf und ragten in die Wölbung hinein, wo sie sich neigten und mit der wankenden Bewegung erschöpfter Liebender ihre Blätter miteinander vereinigten. Die niedrigeren Farne, der Saumfarn, der Hainfarn, sahen aus wie Damen in weiten grünen, mit regelmäßigen Volants besetzten Röcken und schienen stumm und regungslos am Rande des Weges auf die Liebe zu harren. Die schiefen, rotgefleckten Blätter der Begonien neben ihnen und die weißen, wie Lanzenspitzen geformten Blätter der Kaladien nahmen sich aus wie eine Reihe verwundeter, bleicher Erscheinungen, die die Liebenden nicht zu deuten wußten, darin sie aber zuweilen Rundungen von Hüften und Knien zu erkennen vermeinten, die sich unter gewaltsamen, blutigen Liebkosungen auf dem Boden wälzten. Und die Bananen, die sich unter der Last ihrer Fruchttrauben bogen, erzählten den beiden von der üppigen Fruchtbarkeit der Erde, dieweil die abbessinischen Euphorbien, deren dornige, mißförmige Kerzen voll schändlicher Höcker sie undeutlich im Schatten wahrnahmen, den Saft, den alles überschwemmenden Strom dieser leidenschaftlichen Generation auszuschwitzen schienen. Und je tiefer ihre Blicke in die Winkel des Gewächshauses drangen, desto mehr füllten sich die Schatten mit einer noch rasenderen Wollust der Blätter und Stengel; sie vermochten nicht mehr, die samtweichen Pfeilwurz auf den terrassenförmig ansteigenden Stufen zu erkennen, noch die Gloxinien mit ihren violetten Glocken oder die Drazänen, die mit altem chinesischem Lack überzogenen Klingen glichen; es war ein Reigen lebendiger Pflanzen, den ungestillte Liebe sich immer weiterdrehen ließ. In den vier Ecken, dort, wo Vorhänge aus Schlinggewächsen Lauben schufen, wurde ihr sinnlicher Traum noch betörender, und die geschmeidigen Schößlinge der Vanille, des Kockelskornstrauchs, der Quisqualus und Bauhinien wurden zu unermeßlich langen Armen verborgener Liebender, die sich in ihrer Verschlingung sehnsüchtig ausstreckten, um alle rings verstreuten Lüste an sich zu ziehen. Diese endlosen Arme hingen entweder schlaff herab, oder sie verknoteten sich im Liebeskrampf, suchten einander, umschlangen sich wie zu einer Massenbrunst. Es war die ungeheure Brunst des Gewächshauses, dieses Stückchens Urwald, wo das Laub und die Blütenpracht der Tropen in Liebesglut entbrannten.
    Maxime und Renée fühlten sich in ihrer verderbten Sinnlichkeit in die gewaltige Paarung der Natur hineingerissen. Durch das Bärenfell hindurch sengte ihnen der Boden den Rücken und von den hohen Palmen fielen heiße Tropfen auf sie herab. Der Saft, der in die Lenden der Bäume emporstieg, durchdrang auch sie, erweckte in ihnen ein rasendes Verlangen nach unmittelbarem Wachstum, nach gigantischer Fortpflanzung. Die Brunst des Treibhauses ging in sie über. Da stiegen in dem bleichen Licht betäubende Visionen in ihnen auf, Alpträume, in denen sie lange den Liebesspielen der Palmen und Farne beiwohnten; das Laub nahm ein wirres, zweideutiges Aussehen an, das die Begierde der beiden zu sinnlichen Bildern gestaltete; Gemurmel und Flüstern drang aus den dichten Blättermassen zu ihnen, ersterbende Stimmen, Seufzer der Verzückung, erstickte Schmerzensschreie, fernes Lachen, all das, was ihre eigenen Küsse verrieten und was das Echo ihnen zurückgab. Zuweilen wähnten sie sich von einem Erdbeben erschüttert, als wäre die Erde selber in einem Augenblick höchster Befriedigung in wollüstiges Schluchzen ausgebrochen.
    Hätten sie die Augen geschlossen, hätten die erstickende Hitze und das fahle Licht nicht all ihre Sinne verdorben, so würden schon die Gerüche genügt

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