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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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haben, sie in einen Zustand außergewöhnlicher Überreiztheit zu versetzen. Dem Wasserbecken entstieg ein feuchter, herber, unergründlicher Wohlgeruch, durchzogen von tausenderlei Blatt und Blütendüften. Zuweilen sang die Vanille mit gurrender Turteltaubenstimme; dann klangen die rauhen Tone der Stanhopea auf, aus deren getigertem Rachen der scharfe, bittere Atem Genesender weht. Gleich lebendigen Weihrauchgefäßen verströmten die Orchideen in ihren an feinen Ketten hängenden Körben ihren Odem. Doch der beherrschende Geruch, in dem all jenes unbestimmte Schmachten unterging, war ein Menschengeruch, ein Liebesgeruch, den Maxime jedesmal wiedererkannte, wenn er den Nacken Renées küßte oder seinen Kopf in ihrem aufgelösten Haar vergrub. Und beide blieben sie trunken von diesem Duft einer liebenden Frau, der das Treibhaus durchwehte wie einen Alkoven, darin die Erde gebiert.
    Gewöhnlich lagen die beiden Liebenden unter der madagassischen Tanghinie, dem Giftstrauch, von dem die junge Frau einmal ein Blatt zerbissen hatte. Das Weiß der Statuen um sie her lachte beim Anblick der ungeheuren Paarung der Pflanzen. Der wandernde Mond verschob die Gruppen, belebte das Schauspiel mit seinem wechselnden Licht. Und Renée und Maxime waren tausend Meilen von Paris entfernt, weit fort vom leichten Leben des Bois de Boulogne und der offiziellen Salons, in einem Winkel eines indischen Urwalds, eines Riesentempels, dessen Gottheit die schwarze Marmorsphinx war. Sie fühlten, daß sie ins Verbrechen abglitten, in eine fluchwürdige Liebe, in die Zärtlichkeiten wilder Tiere. All das Wuchern, das sie umgab, das dumpfe Gewimmel im Wasserbecken, die nackte Unkeuschheit des Blattwerks warfen sie mitten in eine Dantische Hölle116 der Leidenschaft. Hier, verborgen in diesem gläsernen Käfig, der, siedendheiß von den Gluten des Sommers, wie verloren im klaren Frost des Dezembers lag, genossen sie die Blutschande wie die verbrecherische Frucht einer überhitzten Erde, mit der geheimen Angst vor ihrer unheimlichen Lagerstätte.
    Und mitten auf dem schwarzen Bärenfell leuchtete weiß Renées Körper in der Stellung einer großen kauernden Katze, den Rücken langgestreckt, die Handgelenke federnd wie geschmeidige, nervige Beine. Sie war geschwellt von Wollust, und die reinen Linien ihrer Schultern und Hüften traten deutlich hervor wie bei einer Katze und hoben sich scharf von dem tintenschwarzen Flecken ab, den der Pelz auf den gelben Sand des Weges malte. Sie belauerte Maxime, diese unter ihr zu Boden geworfene Beute, die sich ganz aufgab, von der sie völlig Besitz ergriffen hatte. Und von Zeit zu Zeit beugte sie sich plötzlich über ihn und küßte ihn mit ihren rasenden Lippen. Dabei öffnete sich ihr Mund lüstern und blutrot leuchtend wie die chinesische Rose, die eine Mauer des Palais mit ihrem Teppich bedeckte. Jetzt war sie nur noch ein glühendes Treibhausgeschöpf. Ihre Küsse erblühten und verwelkten gleich den roten Blüten der Riesenmalve, die kaum einige Stunden überdauern und unaufhörlich neu erstehen, ähnlich den wundgeküßten, unersättlichen Lippen einer gigantischen Messalina.

Kapitel V
    Der Kuß, den Saccard auf den Nacken seiner Frau gedrückt hatte, ließ ihm keine Ruhe. Schon seit langem machte er von seinen Rechten als Ehemann keinen Gebrauch mehr, der Bruch war ganz von selbst gekommen, da den Gatten nichts an einer Bindung lag, die beiden lästig war. Der Gedanke, wieder einmal in Renées Zimmer zu gehen, kam Aristide nur dann, wenn ihm nach den ehelichen Zärtlichkeiten irgendein vorteilhaftes Geschäft winkte.
    Das so glücklich begonnene Unternehmen in Charonne machte gute Fortschritte, wenn Saccard auch in Sorge über den Ausgang der Sache war, weil Larsonneau mit seiner tadellosen Wäsche eine Art zu lächeln hatte, die Saccard mißfiel. Jener war zwar nur ein Mittelsmann, ein Strohmann, dessen Gefälligkeiten er mit zehn Prozent des zukünftigen Reingewinns bezahlte. Aber obwohl der Enteignungsagent nicht einen Sou in das Geschäft gesteckt und Saccard, nachdem er das Kapital für das KonzertCafé beschafft und alle Vorsichtsmaßnahmen, wie Scheinverkäufe, Briefe, deren Datum unausgefüllt geblieben war, im voraus ausgestellte Quittungen, getroffen hatte, empfand er doch eine geheime Angst, die Vorahnung irgendeines Verrats. Er witterte bei seinem Helfershelfer die Absicht, ihn mittels jenes gefälschten Inventars zu erpressen, das Larsonneau sorgfältig hütete und dem allein er seine

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