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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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um. Den ganzen Winter verwandte er darauf, seinen Plan auszuarbeiten, hin und hergezerrt von hundert Angelegenheiten, von denen die einen noch verworrener waren als die anderen. Es war ein schrecklicher Winter für ihn, reich an Erschütterungen, ein gewaltiger Feldzug, bei dem er sich täglich gegen den Bankrott zur Wehr setzen mußte. Aber wenn es ihm auch gelang, allen Schwierigkeiten die Stirn zu bieten, so mußte er doch Renée vernachlässigen, die er sich für seinen Meisterstreich aufsparte, sobald die Angelegenheit in Charonne reif sein würde. Vorläufig begnügte er sich damit, deren Lösung vorzubereiten, indem er Renée stets nur durch Larsonneaus Vermittlung Geld zukommen ließ. Wenn er gerade über einige tausend Francs verfügte und sie über große Not klagte, gab er ihr das Geld, teilte ihr aber zugleich mit, daß Larsonneaus Hintermänner einen Wechsel über die doppelte Summe forderten. Diese Komödie machte ihm riesigen Spaß, das Märchen von den Wechseln entzückte ihn, weil es der Angelegenheit einen romantischen Anstrich gab. Selbst in Zeiten seiner größten Einnahmen hatte er die Rente seiner Frau nur sehr unregelmäßig ausgezahlt; manchmal machte er ihr fürstliche Geschenke, überschüttete sie mit Banknoten, und dann wieder ließ er sie mit einer Kleinigkeit wochenlang im Stich. Jetzt, da er in ernstlichen Schwierigkeiten steckte, klagte er über die Haushaltslasten und behandelte Renée wie einen Gläubiger, dem man seinen Ruin nicht eingestehen will und den man mit allerlei Geschichten hinzuhalten sucht. Sie hörte ihm kaum zu, unterschrieb alles, was er wünschte, und bedauerte nur, nicht noch mehr unterschreiben zu können.
    Indessen besaß er bereits Wechsel von ihr im Werte von zweihunderttausend Francs, die ihn kaum hundertzehntausend Francs gekostet hatten. Nachdem er die Papiere von Larsonneau, auf dessen Namen sie lauteten, hatte indossieren lassen, brachte er sie vorsichtig in den Verkehr; er gedachte, sich ihrer zur gegebenen Zeit als wirksamer Waffen zu bedienen. Niemals hätte er den furchtbaren Winter überstanden, niemals seiner Frau auf Wucherzins Geld beschaffen und gleichzeitig seine bisherige Lebenshaltung beibehalten können ohne den Verkauf seines Grundstücks am Boulevard Malesherbes, das die Herren Mignon und Charrier ihm zwar bar, aber mit einem gewaltigen Abzug zu ihren Gunsten bezahlten.
    Für Renée war dieser Winter ein ununterbrochenes Vergnügen. Die Geldknappheit war ihre einzige Sorge. Maxime kam ihr sehr teuer zu stehen, denn er behandelte sie immer noch als Stiefmutter und ließ sie überall bezahlen. Doch dieses heimliche Elend war für sie nur eine Wonne mehr. Sie sann und grübelte, zerbrach sich den Kopf, damit ihrem »lieben Kind« nichts abgehe; und wenn sie ihren Mann wieder einmal dazu bewogen hatte, ihr ein paar tausend Francs zu verschaffen, so brachten sie und ihr Geliebter gemeinsam dieses Geld in kostspieligen Tollheiten durch wie zwei Schuljungen, die ihre ersten Streiche unternehmen. Hatten sie keinen Sou mehr, so blieben sie zu Hause und genossen das große Palais mit seinem so neuen, so albern aufdringlichen Luxus. Der Vater war niemals da. Die Liebenden blieben öfter denn je zu Hause. Renée hatte es endlich vermocht, die eiskalte Leere der vergoldeten Räume mit warmem Behagen zu erfüllen. Dieses zweifelhafte Haus aller weltlichen Genüsse war zu einer Kapelle geworden, wo sie im geheimen einer neuen Religion huldigte. Maxime hatte nicht nur den grellen Ton in Renées Leben gebracht, der mit ihren unsinnigen Toiletten im Einklang stand, er war auch der richtige Geliebte, wie geschaffen für dieses Palais, das Scheiben von der Größe von Schaufenstern hatte und vom Speicher bis zum Keller mit einem wahren Geriesel von Skulpturen bedeckt war; er war die Seele dieses Gipswerks, angefangen bei den beiden pausbäckigen Amoretten im Hof, die einen dünnen Wasserstrahl aus ihrer Muschel rinnen ließen, bis zu den großen nackten Frauengestalten, die die Balkons stützten und in den Giebelfenstern mit Ähren und Äpfel spielten; er machte das überladene Vestibül begreiflich, den zu engen Garten und die prunkvollen Zimmer, in denen es einen Überfluß an Sesseln und nicht ein einziges Kunstwerk gab. Die junge Frau, die sich hier bisher tödlich gelangweilt hatte, fand plötzlich an dem allen lebhaftes Gefallen und bediente sich seiner wie einer Sache, deren Bestimmung sie bis dahin nicht gekannt hatte. Und sie lebte ihrer Liebe nicht nur

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