Die Beute
war nicht fair «, stammelte sie. Sie war im Nachteil, sie konnte nicht klar denken.
»Fair – lass uns nicht wieder davon anfangen. Das Leben ist nicht fair. Darum geht es nicht. Du hast dich mir versprochen.«
Jenny öffnete den Mund, um etwas zu erklären, für das sie keine Worte fand.
Denn das Schreckliche war, dass er recht hatte. Sie konnte nicht wirklich entschuldigen, was sie getan hatte. Sie hatte ihm ihr Wort gegeben. Sie hatte den Eid geleistet, wohl wissend, dass er sie für immer binden würde. Die schlichte Wahrheit war: Sie hatte gehofft, Julian für immer loszuwerden, damit er seine Rechte nicht einfordern konnte.
Mit einem Finger zeichnete Julian einige Linien in die Luft, eine Form wie eine auf der Seite liegende Vase.
»Das ist Perthro, die Rune des Glücksspiels und der Weissagung. Es ist der Becher, in dem die Runen oder Würfel geworfen werden.«
»Oh, wirklich?«, murmelte Jenny schwach; sie hatte nicht den blassesten Schimmer, wovon er redete.
»Ich werde dir etwas Interessantes über die Leute erzählen, die diese Runen entdeckt haben. Sie liebten das Glücksspiel. Sie waren verrückt danach. Sie setzten alles – einschließlich ihrer Freiheit – auf die Würfel. Und wenn sie verloren, gingen sie wohlgemut in die Sklaverei, weil sie ein Versprechen gegeben hatten und die Regeln einhielten. Ehre bedeutete ihnen mehr als alles andere.«
Jenny wandte den Blick ab und schlang die Arme um ihren Körper. Ihr war sehr kalt. Sie wünschte, sie könnte sich irgendwo verstecken.
»Wirst du dein Versprechen halten?«
Was sollte sie darauf antworten? Dass es ein Versprechen war, das sie niemals hätte geben dürfen? Julian hatte sie gezwungen, das Spiel zu spielen – aber andererseits
war Jenny auf der Suche nach einem Spiel zu ihm gekommen. Auf der Suche nach etwas Gruseligem, etwas, das sexy war und das einer Party das gewisse Etwas verlieh. Julian hatte ihr gegeben, worum sie gebeten hatte. Es war ihre eigene Schuld, mit verbotenen Dingen zu experimentieren.
Aber sie konnte nicht – sie konnte nicht.
Sie bohrte ihre Zähne in die Unterlippe und sah Julian an, obwohl sie es kaum ertrug, ihm in die Augen zu schauen. Dann schüttelte sie den Kopf.
Da. Jetzt war es heraus. Sie hatte keine Entschuldigung, aber sie würde ihr Wort nicht halten.
»Du weißt, dass ich dich dazu zwingen könnte.«
Sie nickte. Das hatte sie erwartet. Aber zumindest würde sie nicht freiwillig mit ihm gehen.
Er drehte sich um und blickte auf den Ozean hinaus und Jenny wartete.
»Was hältst du davon, wenn wir noch ein Spiel spielen?«
»Oh, nein «, flüsterte Jenny, aber er sprach weiter.
»Ich könnte dich einfach zwingen – aber ich werde dir eine faire Chance geben, eine sportliche Chance. Ein Schicksalswürfelspiel, Jenny. Nur ein Spiel noch. Wenn du gewinnst, bist du von dem Versprechen entbunden. Wenn du verlierst, hältst du es.« Er drehte sich wieder um, um sie anzusehen; durch die Augenlöcher der Maske drang Mitternachtsblau. »Willst du spielen oder regeln wir die Angelegenheit hier und jetzt?«
Keine Panik – denk nach. Es ist deine einzige Chance. Es ist besser als gar keine Chance.
Der wilde Teil in ihr reagierte auf seine Herausforderung, begierig, sie anzunehmen. Gefahr. Risiko. Aufregung.
»Ein Schicksalswürfelspiel«, sagte sie leise. »Ich werde spielen.«
Er ließ sein wölfisches Lächeln aufblitzen. »Alle Mittel sind erlaubt. Es gibt kein Pardon, für keinen der Spieler.«
Jenny erstarrte. »Moment mal …«, begann sie.
»Dachtest du etwa, ich spaße? Dieses Spiel ist todernst – wie das letzte.«
»Aber es ist eine Angelegenheit zwischen uns «, wandte Jenny verzweifelt ein. »Nur du und ich …«
»Nein.« Die Augen hinter der Maske wurden schmal. »Es ist ein Spiel für die ursprünglichen Spieler, für alle, die in dem Papierhaus waren. Nicht mehr und nicht weniger. Auf meiner Seite ich selbst, der Kriecher und der Schleicher. Auf deiner Seite – alle, die geholfen haben, mich zu überlisten und zu verraten. Ich werde sie einen nach dem anderen einfangen, zuerst das Rotkäppchen.«
»Nein«, rief Jenny voller Entsetzen. Oh Gott, was hatte sie getan? Summer war beim letzten Spiel gestorben …
»Doch. Und es beginnt jetzt. Ob du bereit bist oder nicht, hier komme ich. Finde meinen Stützpunkt, und
du kannst verhindern, dass ich sie für immer in die Schattenwelt hole.«
»Wen …?«
»Deine Freunde. Finde sie, nachdem ich sie geholt habe, und
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