Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
Nennung dieses Namens dafür, daß Gerswind ihren eigenen Kummer verbannte. Wieviel geringer war er doch im Vergleich zu dem Kreuz, das dieses Mädchen trug. Wie sollte Hruodhaid je mit der Ungeheuerlichkeit ihrer Abstammung zurechtkommen? Gerswind schluckte alle Fragen, die sie selbst dazu hatte, hinunter und murmelte: »Du wirst mit ihr reden müssen.« – »Aber sie will mich nicht sehen.«
    Karl wollte über den Tisch nach Gerswinds Händen greifen, besann sich dann eines anderen und legte seine Hände flach auf die Platte. »Auf dich hört sie! In ihr fließt mein Blut, und das fühlt sich deinem verbunden. Nur du kannst sie überzeugen! Ich möchte meine Tochter nicht verlieren! Wirst du bei ihr ein Wort für mich einlegen? Wirst du an den Hof zurückkommen, Gerswind?«
    Seinen letzten Satz sprach er flüsternd aus. Ehe sie antworten konnte, setzte er noch hinzu: »Ich möchte dich um mich haben, Gerswind. Du bist die Frühlingssonne meines Herbstes. Nicht die Jahreszeit, sondern die Sonne selbst entscheidet, worauf sie scheint, wen sie wärmt, wen sie verbrennt oder dürsten läßt.« Gerswind blickte ihn überrascht an. Das sind ja heidnische Gedanken!
    »Ich verlange nichts von dir, Gerswind. Überhaupt nichts. In meinem ganzen Leben habe ich nie eine Frau genötigt oder zur Liebe gezwungen. Die Frauen sind immer zu mir gekommen. Alle. Wenn du an den Hof zurückkehrst, werde ich dir nicht nachstellen. Nie werde ich dich gegen deinen Willen anrühren. Du bestimmst selbst, ob und wann du mir deine Liebe und deine Wärme schenken willst. Der König beugt sich in dieser Angelegenheit ganz und gar deinem Willen.«
    Entgeistert starrte Hruodhaid ihre Freundin an.
    »Ich kann doch nicht allein hierbleiben!«
    »Natürlich kannst du das«, erwiderte Gerswind lächelnd. »Du hast dich hier bestens eingelebt. Die Witwe Gislind ist von deinem Verhandlungsgeschick sehr angetan. Sie sagt, du hast dem Genitium durch deine Arbeit schon unzählige Denare geschenkt. Was meinst du, wie stolz dein Vater auf dich ist!«
    »Mein Vater …« Sie spuckte das Wort fast aus.
    »Geh zu ihm, Hruodhaid. Du wußtest immer schon, daß du ein Kind der Liebe bist. Und jetzt weißt du, daß du das Kind einer ganz besonderen Liebe bist. Frag ihn, was du willst. Er wird dir antworten. Dann erst solltest du urteilen.«
    Was sage ich ihr da? Urteilen? Für eine solche Tat muß man doch jeden verurteilen! Gerswind versuchte, ihrer erneuten Verwirrung Herr zu werden. Hruodhaid durfte nichts von ihrer eigenen Unsicherheit merken. Für Karl gelten andere Gesetze. Er sei wie Atlas, hatte Teles einst gesagt.
    »Dein Vater, Hruodhaid«, fuhr sie langsam fort, »ist ein überaus mächtiger Mann. Er trägt die Last der ganzen Welt. Vielleicht denkt er manchmal daran, sie abzusetzen. Doch was würde dann mit der Welt geschehen? Ist nicht alles begrüßenswert, was ihm in seiner Lage Freude bringt? Käme das dann nicht der ganzen Welt zugute? Er hat seine Schwester auf verbotene Weise berührt …« Wieder mußte Gerswind schlucken, doch tapfer fuhr sie fort: »… was zwar unverzeihlich und schändlich ist, aber dennoch bin ich heilfroh darüber.«
    »Wie kannst du so etwas sagen!« fuhr Hruodhaid auf.
    Gerswind strich ihr sanft über die flammendrote Mähne. »Weil es dich sonst nicht gäbe, meine Freundin, und das wäre fürchterlich.«
    Es kostete Gerswind noch einige Überredungskraft, doch schließlich durfte sie Hruodhaid zur Tür des königlichen Gemachs geleiten.
    »Bitte komm mit hinein«, bat die Tochter des Königs.
    Gerswind unterdrückte ein Lächeln. Karl hatte sie ebenfalls gebeten, dem Gespräch mit Hruodhaid beizuwohnen. Der Tochter gab sie die gleiche Antwort wie dem König: »Es geht um euch beide. Ihr müßt herausfinden, ob der Abstand überbrückbar ist. Jeder Dritte würde da nur stören.«
    In dem Augenblick öffnete sich die Tür, und des Königs ältester Sohn trat hinaus. Noch nie hatte Gerswind ein so glückliches Lächeln um den meist traurigen schönen Mund Pippins gesehen. Der junge Mönch stutzte, als er die beiden Mädchen sah. Fast hätte er sie umarmt, doch gerade noch rechtzeitig besann er sich seines geistlichen Standes. Gerswind schob Hruodhaid durch die offene Tür und schloß sie rasch hinter ihr.
    Pippins Augen leuchteten und verliehen seinem Antlitz noch engelhaftere Züge, als es ohnehin aufwies.
    »Er hat mir verziehen!«
    »Und du?« fragte Gerswind ernst, »hast du ihm denn auch verziehen?«
    »Schon vor

Weitere Kostenlose Bücher