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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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früher auf diese unsägliche Weise zu beglücken!
    »Aber dann starb seine Mutter«, fuhr Hruodhaid tränenblind fort. »Du weißt ja, wie wichtig Bertrada für ihn war.«
    Gerswind hatte lange genug in Prüm gelebt, um auch zu wissen, daß sich Bertrada jahrelang ohne Verbindung zu ihrem Sohn hier aufgehalten hatte. Als Tote war sie ihm jetzt wieder wichtig geworden. Mit welcher Schamlosigkeit er jene ausnutzte, die sich nicht wehren konnten! Und wie geschickt er die Schwäche seiner Tochter für dramatische Liebesgeschichten ausbeutete!
    »Und als er mit Gisela an ihrem Totenbett wachte …«
    »… machten sie vor lauter Trauer ein Kind«, konnte sich Gerswind einer spitzen Bemerkung nicht enthalten. Hruodhaid sah sie böse an.
    »Du kannst das eben nicht verstehen! Da du noch nie einen Mann geliebt hast!«
    Gerswind schluckte den Kloß hinunter, der sich in ihrer Kehle geformt hatte, versuchte sich an einem freundlichen Lächeln und heuchelte: »Wie schön, daß du beiden verziehen hast und mit uns zurück nach Aachen kommst.«
    Hruodhaid strahlte sie an: »Wir reisen schon morgen ab!«
    Reizend, daß ich das auch noch erfahre, dachte Gerswind mißgelaunt. Karl hatte wieder einmal ganze Arbeit geleistet und seine Tochter genauso um den Finger gewickelt wie alle Menschen, mit denen er verhandelte.
    In Aachen erwarteten den König tragische Nachrichten. Zwei seiner engsten Vertrauten und besten Truppenführer, Erich von Friaul und Hildegards Bruder Gerold, der Präfekt von Bayern, waren ermordet worden. Erich, der vor Jahren den Awarenring gesprengt und dem König diesen ungeheuren Schatz zugeführt hatte, war von aufständischen Bürgern der byzantinischen Stadt Tarsitika in einen Hinterhalt gelockt worden. Und Gerold war gemeuchelt worden, als er wieder einmal Truppen zum Kampf gegen die Awaren musterte. Seinen Leichnam habe ein Sachse in Sicherheit gebracht, teilte Alkuin dem König in einem Schreiben mit, was wieder einmal beweise, daß auch dieses Volk Königstreue kenne. Der Abt aus Tours setzte hinzu, daß er die beiden Todesfälle als böses Omen für das kommende Jahr betrachte.
    Dummes Geschwätz eines alten Mannes im langen Rock, dachte Karl voller Unmut. Zeichen entstehen durch ihre Deutung, hatte seine Mutter immer gesagt und damit zweifellos recht gehabt.
    Während er in die Aachener Pfalzkapelle ging, um für die Mutter, die ihm post mortem gewissermaßen seine Tochter Hruodhaid zurückgebracht hatte, eine Kerze zu entzünden, dachte er an die erfreulichen Nachrichten des Jahres: Die Balearen hatten sich ihm friedlich unterworfen. Bereits Anfang des Jahres hatten sie Karl um Hilfe angefleht, da sie von Mauren und Sarazenen überfallen und ausgeraubt worden waren und sich von deren Schiffen immer noch bedroht sahen. Karl hatte sofort Truppen ausgesandt und weiteren Schutz versprochen. Um der maurischen Seeräuberplage beizukommen und auf die Bedrohung durch die Wikinger vorbereitet zu sein, ließ Karl derzeit an der aquitanischen Küste eine Flotte bauen. Er plante, sich im Frühjahr selbst ein Bild vom Fortgang dieser Arbeiten zu machen.
    Und als das Jahr mit einem äußerst günstigen Ereignis ausklang, dachte er nicht mehr an Alkuins unheilschwangere Worte. Im Auftrag des Patriarchen überbrachte ein Mönch aus Jerusalem dem Frankenkönig Segenswünsche und Reliquien vom Heilige Grabe, ein Zeichen für die große Achtung, die Karl in Palästina genoß. Nach dem Weihnachtsfest gab der König seinerseits diesem Boten reiche Geschenke für Jesu Grab mit sowie eine große Summe Geldes, die den in Armut lebenden Christen in Ägypten, Syrien, Jerusalem und Karthago zugute kommen sollte. Der Mönch vom Ölberg verließ Aachen in Begleitung des Hofpriesters Zacharias. Der sollte sich auf der Reise nach Jerusalem auch nach der Gesandtschaft erkundigen, die zwei Jahre zuvor nach Bagdad aufgebrochen und von der bisher noch keine Nachricht ins Frankenland gelangt war.
    Nachdem Karl die Kerze entzündet und ein kurzes Gebet für die Seele seiner Mutter gesprochen hatte, erinnerte er sich daran, daß er an genau dieser Stelle Gerswind in den Armen gehalten hatte. Ein versonnenes Lächeln huschte über sein Gesicht.
    Er zweifelte nicht im geringsten daran, daß sie wieder zu ihm kommen würde, auch wenn sie in Prüm weder das Bett mit ihm geteilt noch ihm seitdem durch ein Zeichen zu verstehen gegeben hatte, daß ihr an seinen Zärtlichkeiten gelegen war. Das bekümmerte ihn, denn er hätte sie gern wieder in

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